Spielberg | Red Bull Ring – 2019 startet mit der MotoE™ der erste Weltcup für Elektro-Motorräder. Das offizielle Rennmotorrad „Energica Ego Corsa“ war am vergangenen Wochenende mit Testfahrer Alessandro Brannetti am Red Bull Ring im Einsatz. Ich nutzte die Gelegenheit, den ebenfalls anwesenden MotoE™ Executive Director Nicolas Goubert zum Gespräch zu bitten…
Der Weltcup des elektrischen Pendants zur MotoGP wird im nächsten Jahr im Rahmen von fünf Motorrad Grand Prix in Europa ausgetragen. Der „FIM Enel MotoE™ World Cup“, so die offizielle Bezeichnung, wird seine Premiere im Mai 2019 in Jerez am „Circuito de Jerez Ángel Nieto“ feiern und im August auch Spielberg elektrisieren. Vor Beginn der ersten Rennsaison werden drei offizielle Tests stattfinden, einer noch im heurigen Jahr und zwei weitere Anfang nächsten Jahres.
Die „E-Mobility Play-Days“ am Red Bull Ring waren genau der richtige Event, die neue Rennserie „MotoE™“ einem breiten Publikum näher zu bringen, welches sich für E-Mobilität interessiert. Die einheitlichen Renn-E-Bikes kommen von der Italienischen Firma „Energica Motor Company“ mit Sitz in Modena. Die Leistungsdaten der „Energica Ego Corsa“ sind beeindruckend: 120 kW Leistung, 200 Nm Drehmoment, in weniger als 2,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h und 270 km/h Spitze.
Das Interview
Am Stand der Energica Motor Company gab mir („AOB“ steht für ARMIN ON BIKE) der bisherige Technical Director von Michelin Racing MotoGP und seit Februar des Jahres Executive Director der MotoE™ Nicolas Goubert im nachfolgenden Interview die Möglichkeit, die aktuellen News der neuen Rennserie zu erfahren:
AOB: Nicolas, wie zufrieden bist Du mit der aktuellen Entwicklung der MotoE?
Nicolas Goubert: Ich bin generell sehr glücklich darüber, wie sich die Dinge derzeit entwickeln. Im Speziellen über die aktuellen Fortschritte von Energica bei der Abstimmung des Bikes für den Rennstreckeneinsatz. Die Fahrer sind bereits sehr zufrieden mit der Performance des Motorrades. Ein weiterer wichtiger, positiver Punkt ist, dass alle Teams bereits fixiert sind und sich kurz vor den Vertragsabschlüssen mit ihren Fahrern befinden. Gut dabei ist, dass es sich aus heutiger Sicht durchwegs um erfahrene, hochkarätige Piloten handeln wird.
AOB: Es wurde angekündigt, dass alle Fahrer beim Großen Preis von Aragonien bekannt gegeben werden. Warum war dies noch nicht der Fall?
Nicolas Goubert: Die Teams werden Schritt für Schritt ihre Fahrer selbst bekannt geben. In Misano haben wir entschieden, ihnen mehr dafür Zeit zu geben, da die Fahrer neben ihrem MotoE-Engagement auch in anderen Meisterschaften tätig sein werden. Wir haben den Terminplan der MotoE in Misano bekannt gegeben. Die Teams benötigen jetzt noch mehr Zeit, damit vor einer Entscheidung auch alle Rennkalender bereits feststehen.
AOB: Es ist sicherlich keine leichte Aufgabe eine neue Rennserie zu etablieren, noch dazu eine mit Elektroantrieb. Inwieweit wird die MotoE bereits akzeptiert?
Nicolas Goubert: Es ist sicherlich eine Herausforderung, da es eine neue Technologie ist und Menschen, wie auch im täglichen Leben, Veränderungen nicht mögen. Das ist in der Rennszene ganz genauso. Es ist einerseits zwar eine große Herausforderung, aber gerade das macht es so interessant. Die Wirkung die die Rennserie zu haben scheint, die Anzahl der Fahrer die daran teilhaben möchten und die Reaktion der Teams zeigt bereits eine gewisse Akzeptanz. Darüber hinaus stimmt mich auch das Feedback der Teams positiv, welches zeigt, dass sich auch Sponsoren aus anderen als den üblichen Bereichen für die MotoE interessieren.
AOB: Nun zu den Rennmotorrädern selbst. Es wird mit einheitlichen E-Bikes von der Firma Energica gefahren. Welche Änderungen sind den Teams erlaubt?
Nicolas Goubert: Die Teams dürfen das Set-up der Bikes verändern. Sie können das Fahrwerk auf die Anforderungen des jeweiligen Fahrers anpassen, wie zum Beispiel Federhärte, -vorspannung und Sitzhöhe verändern. Wenn man mit einer neuen Technologie wie dieser startet, ist es vernünftig, nicht allzu viele Veränderungen zuzulassen, um von Beginn an Chancengleichheit für alle zu gewährleisten. Das ist eine wichtige Grundlage für interessante Rennen.
AOB: Ist es bei einer geplanten Renndistanz von 7-10 Runden bzw. 15 Minuten möglich, spannende Rennen vergleichbar mit der MotoGP zu erwarten?
Nicolas Goubert: Ganz sicher, bei einem 45minütigen MotoGP-Rennen gibt es einige besonders, intensive Phasen wie den Start und die Schlussphase. Die MotoE wird vom ersten Moment bis zum Ende hochspannend sein.
Ein wichtiger Faktor ist, dass die MotoE eine ganz neue Kategorie neben den bestehenden Serien MotoGP, Moto2 und Moto3 sein wird. Es ist uns wichtig, dass allen Fahrer die gleiche Leistung vom Start bis ins Ziel zur Verfügung steht. Wir werden daher die Anzahl der Runden so festlegen, dass kein Fahrer darüber nachdenken muss, Energie des Akkus zu sparen. Dabei sind natürlich die unterschiedlichen Fahrstile der MotoE-Piloten zu berücksichtigen.
AOB: In der MotoGP spielen die Reifen eine sehr bedeutende Rolle. Wird das auch in der MotoE der Fall sein?
Nicolas Goubert: Es wird ebenso ein Thema sein, aber in ein wenig anderer Form. In der MotoE wird es weniger und kürzere Free Practice-Sessions geben, 30 Minuten lang mit zirka 15-20 Minuten auf der Strecke. Wir wollen es den Teams am Beginn das Leben leicht machen. Zum Start der Saison 2019 werden sie daher nur einen Typ von Trockenreifen erhalten, um nicht wählen zu müssen. Reifen-Management wird ein Thema sein, aber nicht in dem Ausmaß wie bei der MotoGP.
AOB: Nicolas, das Renn-Motorrad ist eine Weiterentwicklung des Straßen-E-Bikes „Energica Ego“. Was sind die maßgeblichen Veränderungen, die es zur „Energica Ego Corsa“ machen?
Nicolas Goubert: Wir haben vor allem am Fahrwerk, Rädern und an den Bremsen gearbeitet. Die Räder sind etwas breiter als bei der Straßenversion, der Vorderreifen ist mit 3,75×17 Zoll um ein viertel, der Hinterreifen mit 6×17 Zoll um ein halbes Zoll breiter. Der Vorderreifen ähnelt sehr dem der MotoGP, gleiches Profil, gleiche Konstruktion, aber eine weichere Mischung.
AOB: Welche Rundenzeiten werden mit den MotoE-Bikes möglich sein?
Nicolas Goubert: Bei Tests mit Alessandro Brannetti und Loris Capirossi waren wir rund eine halbe Sekunde hinter den Moto3-Zeiten. Hier in Spielberg werden wir etwas schneller sein. Alles in allem ähnliche Rundenzeiten. Die MotoE und Moto3 unterscheiden sich jedoch trotzdem maßgeblich voneinander. Die Höchstgeschwindigkeit und das Gewicht sind höher, dafür sind die Moto3-Bikes in der Kurve schneller.
AOB: Was sagen die Fahrer über ihre bisherigen Erfahrungen mit dem MotoE-Bike, war es schwer sich darauf einzustellen?
Nicolas Goubert: Die Fahrer auf den Demo-Runden, wie zum Beispiel hier in Spielberg Ex-MotoGP-Fahrer Alex Hofmann im letzten August, sitzen dabei zumeist das erste Mal auf dem E-Bike. Alex meinte nach seiner Fahrt, er sei beeindruckt von der Motorleistung. Der vierfache Motorrad-Weltmeister Max Biaggi musste auf der sehr kurvigen Rennstrecke in Mugello seinen Fahrstil zwei Runden lang ein wenig anpassen, dann aber ist es sehr gut gelaufen. Es ist zu bedenken, dass ein MotoE-Bike rund 100 kg schwerer ist als ein MotoGP-Bike.
AOB: Wer war noch auf einer Demo-Runde mit dem MotoE-Bike unterwegs?
Nicolas Goubert: Der ehemalige MotoGP-und aktuelle Langstrecken-WM-Pilot Randy de Puniet fuhr mit der „Energica Ego Corsa“ Demo-Runden in Le Mans. Da die Langstrecken-Bikes schwerer sind als die der MotoGP, meinte Randy, mit vollem Tank seien diese nicht sehr unterschiedlich zu den MotoE-Bikes. Oft beklagen die Fahrer zu Beginn mit vollem Tank, dass das Gewicht so stark anschiebe und es im Laufe des Rennens besser werde. Dieses Problem gibt es bei der MotoE nicht.
AOB: Nicolas, abschließende Frage: Welche nächsten Schritte sind bei der MotoE geplant?
Nicolas Goubert: Der nächste wichtige Schritt werden die ersten Tests im November in Jerez mit 12 Bikes sein. Bei diesem Test von 23.-25. November am „Circuito de Jerez Ángel Nieto“ sind noch nicht alle 18 Bikes im Einsatz. Es wird wie folgt ablaufen.
Einen Tag vor dem offiziellen Testbeginn erhält jedes Team ein Bike mit Standard-Setup, welches dann an die Fahrer angepasst werden kann. Die Mechaniker der Teams hatten dazu bereits im Vorfeld ein Training bei Energica in der Fabrik. Die erforderlichen Teile stellen wir zur Verfügung, zusätzlich werden bei jedem Event sechs Mechaniker von Energica anwesend sein. Den Transport der Bikes übernehmen auch immer wir, dies hat zwei Gründe. Erstens machen wir den Teams damit das Leben leichter und zweitens wird die Serie ähnlich organisiert sein, wie der Red Bull MotoGP Rookies Cup. Die MotoE wird ein eigenes Areal im Paddock für alle teilnehmenden Teams haben. Nach den Tests übergeben die Teams am 25. November das Bike dann wieder uns.
AOB: Nicolas, vielen Dank für das Gespräch! Bitte noch um ein Foto mit Dir und dem MotoE-Bike.
Nicolas Goubert: Ja, sehr gerne. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal!
Die MotoE™ und auch Fahrzeuge der „ABB FIA Formula E Championship“ fuhren an beiden Tagen des Events Demo-Runden und begeisterten damit das erstaunte Publikum. Am gesamten Wochenende kamen 39.500 Zuschauer, darunter zahlreiche Prominente aus Politik, Wirtschaft und Sport. Alles in allem waren die „E-Mobility Play Days 2018“ wieder eine sehr gelungene Veranstaltung des Projekt Spielberg. Ich freue mich schon auf das nächste Jahr. Bis dann!
Text, Fotos und Video: Armin Hoyer – arminonbike.com
Eva Koller
Ganz tolles Video und Bilder Armin! 🔝👍🏼👏🏼
ARMIN ON BIKE
Danke Eva!