26. Juni 2021 Armin Hoyer

Audi e-tron GT quattro | Elektrisierendes Sportwagen-Feeling im neuen Gran Turismo

Armin in Audi e-tron GT quattro | Photo: Dagmar Berger

St. Johann in Tirol – Audi erweitert seine rein elektrisch angetriebene Baureihe um einen Gran Turismo. Der allradgetriebene e-tron GT, von dem auch eine RS-Version angeboten wird, ist der bisher leistungsstärkste Stromer des Autobauers aus Ingolstadt. Trotz der derzeit noch geringen Verfügbarkeit ist es mir gelungen, ein Fahrzeug für Euch zu testen…

Die Automobilhandelskette Porsche Inter Auto verkauft österreichweit an 53 Standorten Fahrzeuge des Volkswagen Konzerns. Die Filiale Porsche St. Johann mit ihrem Geschäftsführer Andreas Maier und Audi Markenleiter Alexander Duller stellte mir den neuen Audi e-tron GT quattro in der Farbe „Mythosschwarz Metallic“ zum Testen zur Verfügung. Eine beeindruckende Erscheinung mit seiner flachen, langgezogenen Silhouette und den breit ausgestellten Radkästen. Darunter 21 Zoll große Leichtmetallfelgen mit Reifen der Dimension 265/35 vorne bzw. 305/30 hinten. Die fließende Linienführung reicht von der langgezogenen Fronthaube über die flach gestellte Frontscheibe bis hin zur früh wieder abfallenden coupéartigen Dachlinie. Mit dem elegant-dynamischen Designkonzept begibt sich Audi in Sachen Formensprache in ein vollkommen neues Zeitalter.

AUDI SPORT AUF ELEKTRISCH

Und so saß ich dann in dem Wagen, den Tony Stark alias Ironman in dem Film „Avengers: Endgame“ steuerte. Passend dazu das futuristische, turbinenartige Fahrgeräusch, das von einem eigenen Soundgenerator erzeugt wird. Man sitzt tief wie in einem Sportwagen. Das unter der Fahrgastzelle liegende Batteriesystem und die Elektromotoren verschaffen dem e-tron GT einen sehr tiefen Schwerpunkt. Die Gewichtsverteilung von annähernd 50:50 trägt ebenfalls zum sportlichen Charakter des Fahrzeugs bei. Dies fiel mir auch beim Testen sofort auf. Der fünf Meter lange Gran Turismo lag derart satt auf der Straße, dass ich die möglichen Kurvengeschwindigkeiten nur erahnen konnte. Die Luftfederung sorgt situationsabhängig für die optimale Fahrwerksabstimmung und auch die Allradlenkung trägt das ihrige zum dynamischen Fahrverhalten bei. Sie arbeitet bis zirka 50 km/h gegensinnig und ab 80 km/h gleichsinnig. Dabei wird der Wendekreis um 0,6 Meter reduziert, was mir beim Rangieren positiv auffiel. Ein weiteres technisches Feature ist die geregelte Hinterachsdifferenzialsperre, die durch gezielte Bremseingriffe Traktion und Lenkverhalten verbessert. Ich hatte das Gefühl, dass der Wagen regelrecht in die Kurven hineingezogen wird.

Die beiden permanentgeregelten Synchronmotoren an Vorder- und Hinterachse mit einer elektrischen Gesamtleistung von 476 PS/350 kW und einem Drehmoment von 630 Nm beschleunigen den 2.351 Kilogramm schweren GT in 4,5 Sekunden von Null auf Tempo 100. Der Allradantrieb sorgt permanent für eine optimale Verteilung der Antriebsmomente zwischen den Achsen. Im Boost per Launch Control stehen für 2,5 Sekunden zusätzliche 40 Kilowatt Leistung zur Verfügung, die den Sprint auf 100 km/h auf 4,1 Sekunden verkürzen. Ein beeindruckendes Erlebnis, anders kann ich das nicht beschreiben. Bei 245 km/h wird elektronisch abgeregelt. Die Matrix-LED Scheinwerfer mit Laserlicht sorgen in der Dunkelheit für eine nahezu taghelle Ausleuchtung. Die Laserspots im Zentrum der Scheinwerfer sorgen dafür, dass sich die Leuchtweite des Fernlichts ab 70 km/h verdoppelt. Werden entgegenkommende Fahrzeuge von der Kamera hinter der Frontscheibe erkannt, wird nur in diesem Bereich abgeblendet.

INTELLIGENTE AERODYNAMIK

Es wurde beim gesamten Fahrzeug auch neben der strömungsgünstigen Form viel Wert auf die Aerodynamik gelegt. Damit der optimale Fluss des Fahrtwinds die meiste Zeit gegeben ist, werden die vorderen Kühllufteinlässe nur bei Bedarf geöffnet. Dazu werden zwei elektrische Jalousien im Singleframe (Kühlergrill) unabhängig voneinander, stufenlos gesteuert. Den hinteren Abschluss des e-tron GT bildet ein durchgängiges LED-Leuchtenband und ein Heckspoiler, der geschwindigkeitsabhängig in zwei Stellungen ausfährt. Gemeinsam mit dem vollverkleideten Unterboden, der in einen markanten Diffusor übergeht, wird für optimale Strömungsablösung und Anpressdruck am Heck gesorgt. Die Luftfederung senkt die Karosserie bei 90 km/h um zehn und bei 180 km/h um weitere zwölf Millimeter ab. Die Summe der Maßnahmen führt dazu, dass der Gran Turismo über einen ausgezeichneten cw-Wert von 0,24 verfügt.

PREMIUM-INNENAUSSTATTUNG

Man nimmt auf perforierten Sportledersitzen mit Wabensteppung Platz. In meinem Fall in der Farbe Monacograu mit stahlgrauen Nähten. Für einen komfortablen Einstieg fahren davor der elektrisch einstellbare Sitz zurück und die Lenksäule nach oben. Die vorderen Sitze sind nicht nur beheizbar, sondern verfügen auch über eine Belüftung. Diese funktioniert durch Einsaugen von Luft. Die sehr angenehme Massagefunktion verfügt über acht verschiedene Programme. Das Armaturenbrett ist überraschend klassisch gestaltet, ganz ohne futuristischen Akzenten. Als Kombiinstrument ist ein 12,3-Zoll-TFT-Bildschirm verbaut, bei dem aus unterschiedlichsten Ansichten gewählt werden kann. Mittig am Armaturenbrett, etwas dem Fahrer zugewandt, befindet sich ein 10,1-Zoll-TFT-Touch-Display, über das nahezu alle Funktionen gesteuert werden. Die Klimatisierung kann zusätzlich auf dem darunterliegenden Bedienpanel geregelt werden. Carbon-Dekoreinlagen passen gut zum High-Tech Anspruch des Audis. Das Bang & Olufsen Premium Sound System sorgt mit einer Leistung von 710 Watt und 16 Lautsprechern für eine standesgemäße Beschallung der Passagiere. Die Smartphonehalterung mit induktiver Lademöglichkeit befindet sich in der Mittelarmlehne ziemlich weit hinten. Das Einlegen und Entnehmen des Telefons ist eine etwas fummelige Angelegenheit.

BATTERIESYSTEM MIT 800 VOLT

Der Porsche Taycan war das erste Serienfahrzeug mit einer Systemspannung von 800 Volt. Jetzt folgt ihm der Audi e-Tron GT, der auf der gleichen J1 Performance Plattform basiert. Die Vorteile gegenüber den bisher üblichen 400 Volt-Systemen liegen auf der Hand. Die Ladezeit wird verkürzt, das Gewicht und der Platzbedarf für die Verkabelung reduziert und eine starke Dauerleistung ermöglicht. Das Lithium-Ionen-Batteriesystem des Gran Turismo verfügt über eine Speicherkapazität von 93,4 kWh (brutto), von denen 83,7 kWh (netto) genutzt werden können. Ein komplexes Kühlsystem mit vier separaten Kreisläufen temperiert das Hochvoltsystem und den Innenraum. Bei niedrigeren Außentemperaturen hilft eine Wärmepumpe Energie zu sparen, indem sie die Abwärme des Antriebsstrangs zum Beheizen des Fahrzeuginnenraums nutzt.

NORMALES LADEN MIT WECHSELSTROM

Das Laden an der Haushaltssteckdose funktionierte mit erwartbarer Geschwindigkeit. 230 Volt und 10 Ampere ergaben eine maximale Ladeleistung von 2,3 kWh. Bei der hohen Nettokapazität des Batteriesystems ist der Ladevorgang damit naturgemäß eine etwas längere Angelegenheit. Rund 50 Stunden würde eine volle Ladung dauern. Ein Reichweitengewinn von gut 100 Kilometern ist über Nacht in rund 12 Stunden aber auch so erzielbar und für eine durchschnittliche Tagesetappe mehr als ausreichend. Beim serienmäßigen Ladegerät kann durch Umstecken zwischen Haushalts- und Industriestecker gewählt werden. Mit letzterem ist bei einem dreiphasigen Stromnetz eine Ladeleistung von bis zu 11 kW möglich. Das optional verfügbare Ladesystem connect verdoppelt diese auf 22 kW. Beide Geräte können mit einer gesondert verfügbaren Wandhalterung in eine Wallbox verwandelt werden.

In der Garage der MPREIS-Filiale in Kitzbühel nutzte ich eine Typ-2-Ladestation vom Energieversorger TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG mit 11 kW. Für die bessere Zugänglichkeit ist der GT mit zwei Ladeports ausgestattet. Der 11kW-On-board-Charger kann optional mit 22 kW geordert werden. Die erweiterte CCS-Gleichstrom-Ladebuchse ist nur auf der rechten Seite eingebaut. Ich startete die Ladung bei 35 Prozent SoC. Von Beginn an wurde laut Anzeige im Cockpit mit einer Ladeleistung von 10 kW Strom getankt. Nach Beendigung zeigte die Anzeige auf der Ladesäule, dass in 31 Minuten 5,86 kW geladen wurden, was eine Ladeleistung von 11,34 kW bedeutet hätte. Die unterschiedlichen Werte waren höchstwahrscheinlich auf den Ladeverlust zurückzuführen. Von 0-80 Prozent SoC hätte es hier rund 6,5 Stunden gedauert.

ULTRASCHNELLES GLEICHSTROMLADEN MIT BIS ZU 263 KW

Bis zu 270 kW Ladeleistung verspricht Audi in den technischen Daten. Auf der Autobahnraststätte Angath/Nord im Bezirk Kufstein angekommen, war ich gespannt, ob dies an der, gemeinsam mit Standortpartner OMV betriebenen, IONITY-Ladestation möglich sein würde. Und tatsächlich war es so. Der Ladevorgang startete bei 3 Prozent SoC mit 244 kW. Bei 27 Prozent Batterieladung erreichte die angezeigte Ladeleistung erstmals den Maximalwert von 263 kW und blieb bis 60 Prozent SoC auf über 200 kW, um dann bis 80 Prozent auf 83 kW zu fallen. Nach exakt 20:05 Minuten waren 80 Prozent erreicht und 69 kWh geladen. Dies bedeutete eine durchschnittliche Ladeleistung von beeindruckenden 207 kW. Laut Anzeige im Wagen hatte ich in der Zeit 418 Kilometer Reichweite geladen, was 100 Kilometer in unter fünf Minuten bedeutet hätte. Da laut meinem durchschnittlichen Testverbrauch die Reichweite jedoch mit einer kompletten Akkuladung bei rund 400 Kilometern liegt, sollten 80 Prozent in der Praxis für zirka 320 Kilometer reichen. Dies würde bedeuten, dass der Ladevorgang 6:40 Minuten/100 Kilometer Reichweite gedauert hat.

Ein flächendeckendes Ladenetz mit diesen Ultraschnellladern (300-350 kW) zur Ausnützung der maximalen Ladegeschwindigkeit des e-tron GT befindet sich in Österreich derzeit im Aufbau. IONITY verfügt laut Auskunft des Unternehmens hierzulande aktuell über 15 Ladeparks mit insgesamt 78 derartigen Ladepunkten. Ein weiterer Standort befindet sich derzeit in Bau. Bei SMATRICS EnBW sind es aktuell 18 Standorte mit 65 Ladepunkten. In den kommenden Monaten kommen noch weitere 60 Ladepunkte dazu, wie mir das Unternehmen mitteilte. Für mich persönlich bedeutet die aktuelle Situation, dass von meinem Zuhause im Pillerseetal die nächste Ultraschnellladestation in der einen Richtung 50 und in der anderen 63 Kilometer weit entfernt liegt.

ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO

Alles in allem kam bei dem Test echtes Sportwagen-Feeling auf, von der Sitzposition über die beeindruckende Straßenlage bis hin zu den herausragenden Fahrleistungen. Der komfortable Innenraum ist mit feinsten Materialen ausgestattet, die Bedienbarkeit bis auf die Smartphonehalterung vorbildlich. Die Langstreckentauglichkeit des Audi e-tron GT quattro ist durch die hohe Batteriekapazität und die kurzen Ladezeiten gegeben. Ich testete größtenteils auf Überlandstraßen. Der durchschnittliche Verbrauch betrug dabei 21,7 kWh/100 km und bedeutete eine Reichweite von knapp 400 Kilometern. Der Grundpreis des Premium-Stromers beträgt 101.400 Euro. Mit der umfangreichen Mehrausstattung des Testfahrzeugs kommt man auf knapp 140.000 Euro. Die Aufpreisliste ist lang, einige Positionen hätte ich mir bei dem bereits hohen Einstiegspreis schon im Serienumfang erwartet. Audi möchte ab 2033 nur noch rein elektrische Fahrzeuge anbieten. Der e-tron GT macht diese Vision schon heute durchaus vorstellbar.

Text und Fotos: Armin Hoyer – arminonbike.com
Fotos mit Armin: Dagmar Berger

, , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert