Riva del Garda | Trentino – Mercedes-Benz ist mit seiner rein elektrisch angetriebenen EQ-Flotte jetzt auch in der Kompaktklasse angekommen. Der frontgetriebene EQA 250 ist das Basismodell der Baureihe. Bei einer Fahrt übers Wochenende an den Gardasee konnte der Elektro-Mercedes seine Reisetauglichkeit unter Beweis stellen…
Das Automobilhandelsunternehmen Pappas ist in Österreich mit 25 Standorten vertreten. Im Bereich der Personenwagen werden Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz, AMG, Smart und Jeep angeboten. Pappas Tirol stellte mir an seinem Standort Kirchbichl den neuen Mercedes-Benz EQA 250 in der Farbe „Mountaingrau Metallic“ für einen mehrtägigen Test zur Verfügung. Von vorne ist der Kompakt-SUV durch den Black Panel-Grill eindeutig von seinem engen Verwandten GLA zu unterscheiden. In der Ausstattung „AMG Line“ verfügt der Grill über einen schwarz glänzenden Rahmen und eine verchromte Doppellamelle. Blaue Farbakzente in den Voll-LED-Schweinwerfern geben einen Hinweis auf die neue Antriebsform. Auch das Heck weicht mit dem durchgängigen Leuchtenband von dem des herkömmlich angetriebenen Bruders ab. Der mittig angebrachte Mercedes-Stern dient als Öffner für die Heckklappe.
Ich hatte mich für eine Fahrt an den Gardasee entschieden, um auch die Langstreckentauglichkeit des Stromers testen zu können. Nach der Abholung ging es zunächst einmal nach Hause ins Pillerseetal. Der EQA liegt mit den 19 Zoll AMG Leichtmetallrädern und dem straffen Fahrwerk sehr satt auf der Straße, wobei der Komfort in keiner Situation zu kurz kommt. Bei der Ankunft betrug die Batterieladung (SoC) 86 Prozent. Eine gute Gelegenheit, die Ladeperformance an der Haushaltssteckdose zu testen. Erwartungsgemäß lag die Ladeleistung bei rund 2,1 kW, sodass die Hochvoltbatterie nach fünf Stunden wieder voll aufgeladen und bereit für die Reise in den Süden war. Das Gepäck von zwei Personen für ein Wochenende stellte für den 340 Liter fassenden Kofferraum keine Herausforderung dar. Bei größerem Gepäck lässt sich die im Verhältnis 40:20:40 teilbare Rücksitzlehne einzeln umklappen und gibt dann ein Ladevolumen von 1.320 Litern frei.
ÜBER DEN BRENNER ZUM GARDASEE
Mit 100 Prozent geladener Batterie und einer angezeigten Reichweite von 370 Kilometern ging es zeitig in der Früh los in Richtung Gardasee. Nachdem ich das Ziel ins Navigationsgerät eingegeben hatte, wurde der voraussichtliche Ladestand bei der Ankunft angezeigt. 15 Prozent sollten es sein, was eine Anreise ohne Ladestopp bedeutete. Bis zur Passhöhe am Brenner auf 1.370 Metern Seehöhe reduzierte sich die Vorhersage auf 12 Prozent. Dies war jedoch kein Grund zur Beunruhigung, da wir hier am höchsten Punkt der Reise angekommen waren. Zwischendurch erhielt ich den Hinweis, in das Fahrprogramm Eco zu wechseln, um ohne Ladestopp an das Ziel zu gelangen. In diesem Modus zeigt das System auch die optimale Fahrgeschwindigkeit bis dorthin an. Sehr hilfreiche Informationen, um mit rein elektrischem Antrieb sorglos zu reisen. Bei der Ankunft in Riva del Garda nach 327 gefahrenen Kilometern war die Batterie noch zu 16 Prozent geladen und 75 Kilometer prognostizierte Restreichweite vorhanden. Damit traf die Vorhersage vom Beginn der Fahrt exakt ein. Dies ist möglich, da das intelligente System eine Vielzahl von Faktoren bei der Prognose miteinbezieht, darunter auch die Verkehrssituation und Topografie der geplanten Reiseroute. Der angezeigte Durchschnittsverbrauch lag bei niedrigen 16,6 kWh/100 km. Hier gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass der Startort auf 850 Metern und der Zielort auf 70 Metern Seehöhe lag.
ANTRIEB UND BATTERIE
Der EQA wird an der Vorderachse mit einer Asynchronmaschine angetrieben. Gemeinsam mit dem einstufigen Getriebe, dem Kühlsystem und der Leistungselektronik bildet sie den elektrischen Antriebsstrang. Die Leistung liegt bei 140 kW (190 PS), das Drehmoment beträgt 375 Nm. Damit beschleunigt der knapp viereinhalb Meter lange und 2.040 Kilogramm schwere Elektro-Mercedes in 8,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei 160 km/h elektronisch abgeregelt. Das sind zwar keine sportlichen Werte, ich bin damit aber zügig vorangekommen und hatte nie das Verlangen nach mehr Leistung.
Die Lithium-Ionen-Batterie, bestehend aus fünf Modulen, befindet sich im Unterboden und dient als strukturelles Element. Trotz des tiefen Einbaus verfügt der Elektro-SUV über 200 Millimeter Bodenfreiheit. Der nutzbare Energieinhalt der Hochvolt-Batterie beträgt 66,5 kWh. Aus der Maximalspannung von 420 Volt und einer Nominalkapazität von 190 Ah ergibt sich eine Bruttokapazität von 79,8 kWh. Das intelligente Thermomanagement des EQA kühlt oder erwärmt die Batterie je nach Bedarf mit einer darunterliegenden, kühlmitteldurchströmten Platte. Die serienmäßig verbaute Wärmepumpe nutzt die Abwärme der Komponenten und die Umgebungswärme zum Heizen des Fahrzeugs. Über Schaltwippen hinter dem Lenkrad wird die Rekuperation zur Energierückgewinnung eingestellt.
INNENRAUM ZUM WOHLFÜHLEN
Die straff gepolsterten Sportsitze geben guten Seitenhalt und sind über Tasten in den Türverkleidungen elektrisch einstellbar. Als Bezug für die Sitzflächen dient die Microfaser Dinamica, ansonsten kommt eine Ledernachbildung zum Einsatz. Das Platzangebot ist für diese Fahrzeugklasse sehr gut und gestaltet auch längeres Reisen komfortabel. Als Instrumententafel dient eine freistehende Einheit, in die zwei 10,25-Zoll-Bildschirme integriert sind. Das visuelle Erscheinungsbild ist individuell einstellbar. Durch Wischen und Klicken auf dem kleinen Touchpad auf der linken Seite des Lenkrads wird zwischen den Anzeigen gewechselt. Das auf der rechten Seite angebrachte Media-Display ist als Touchscreen ausgeführt, kann aber auch über die Mittelkonsole oder das Lenkrad bedient werden. Darüber hinaus sind die meisten Funktionen über Sprachbefehl zu steuern. Optischer Blickfang am Armaturenbrett sind die fünf hinterleuchteten Lüftungsdüsen in Turbinenoptik. Weiters auf der Beifahrerseite die ebenfalls hinterleuchtetet Verkleidung in Spiraloptik. Bei der gesamten Ambientebeleuchtung kann zwischen 64 Farben gewählt werden. Insgesamt wirkt der Innenraum sehr modern und hochwertig.
LADEN AM SEE
Da sich laut meinen Recherchen rund um den Gardasee die einzige Schnellladestation mit einer dreistelligen Ladeleistung in Riva del Garda befindet, war die Wahl des Quartierstandorts im Vorfeld schnell geklärt. Am Piazza Catena nahe der Schiffsanlegestelle befindet sich die besagte Gleichstromladestation (100 kW) von Neogy, einem Joint Venture von Alperia und Dolomiti Energia, den beiden größten Energieunternehmen in der norditalienischen Region Trentino-Südtirol. Nach der Anreise und kurzem Stopp im Quartier begaben wir uns zu dieser Station. Bei der Ankunft noch besetzt, konnte ich nach einer halben Stunde mit dem Ladevorgang beginnen. Ohne Ladekarte unterwegs, scannte ich den QR-Code der Ladesäule mit dem Smartphone, um auf die Neogy-Webseite zu gelangen. Nach Eingabe der Kontaktdaten, wählte ich die gewünschte Ladesäule und die maximale Lademenge aus. Daraufhin wurde der Preis (0,75 Euro/kWh) angezeigt. Ich autorisierte den maximalen Betrag mit PayPal und startete damit den Ladevorgang bei 15 Prozent Batterieladung. Nach 29:05 Minuten mit einer maximalen Ladeleistung von 99 kW waren 80 Prozent SoC erreicht und 45 kWh geladen.
Wir besuchten im Anschluss den Jachthafen Porto San Nicolò am anderen Ortsende von Riva del Garda. Zum Abschluss des Tages fuhr ich noch die berühmte Gardesana Occidentale am Westufer des Gardasees entlang. Dort wo James Bond im Film „Ein Quantum Trost“ in den zahlreichen Tunnels und Galerien in eine spektakuläre Verfolgungsjagd verwickelt war. Am zweiten Tag begaben wir uns durch zwei lange, zusammen knapp fünf Kilometer lange, Tunnels ins Ledrotal. Nach einer kurvenreichen Strecke mit mehreren Kehren hatten wir bald den wunderschönen Ledrosee auf 655 Metern Höhe erreicht. Ein wunderbarer Ort in den Gardaseebergen, im kristallklaren Wasser spiegelten sich die umliegenden Berge. Nach insgesamt 129 Kilometern am Gardasee und in den umliegenden Bergen kamen wir mit 32 Prozent SoC bei der Neogy-Ladestation am Parkplatz „Viale Cannella“ in Riva del Garda an. Laut Anzeige war der Verbrauch dafür bei 22,4 kWh/100 km gelegen. An diesem Ort stehen zwei Typ 2-Ladesäulen (22 kW) zur Verfügung. In 4:35 Stunden waren mit 11 kW Ladeleistung 49 kWh und die Hochvolt-Batterie zu 100 Prozent geladen. Der Ladevorgang funktionierte wie am Vortag, der Preis für eine Kilowattstunde lag diesmal bei 0,47 Euro. Die Zeit während des Ladens verbrachten wir in unserem Quartier, da dieses zu Fuß nur zehn Minuten entfernt war.
UMFANGREICHE ASSISTENZSYSTEME
Der Elektro-Mercedes verfügt über alle aktuell verfügbaren Fahrassistenzsysteme. Dazu zählt der aktive Abstandsassistent, der durch automatisches Beschleunigen und Verzögern die eingestellte Distanz zum voranfahrenden Fahrzeug beibehält. Da dieser mit maximal halber Bremsleistung eingreift, kommt bei der Gefahr einer Kollision zusätzlich der aktive Bremsassistent zum Einsatz. Unter optimalen Voraussetzungen hält das System auch selbstständig die Spur. Die Assistenzsysteme haben alle sehr gut funktioniert. Lediglich die Verkehrszeichenerkennung sorgte für einige unangenehme Momente, als trotz Verbleiben auf der Autobahn die Geschwindigkeitsbeschränkungen mehrerer Ausfahrten automatisch übernommen wurden und das Fahrzeug daher immer wieder plötzlich stark abbremste.
IN DEN BERGEN RUND UM RIVA DEL GARDA
Der Tag der Abreise war gekommen. Nach dem Frühstück fuhren wir bei strahlendem Sonnenstein noch einmal in die Gardaseeberge. Diesmal in nördlicher Richtung auf der Strada Provinciale 37 zum Tennosee. Nach einer Vielzahl von Kehren und einem deutlichen Höhengewinn lag bald das Castello di Tenno auf der gegenüberliegenden Talseite vor uns. In der namensgebenden Gemeinde befinden sich die nördlichsten Olivenanlagen Europas. Bei der Rückfahrt hatten wir immer wieder einen herrlichen Ausblick auf den Gardasee. Wieder in Riva del Garda angekommen, traten wir die Heimreise mit 84 Prozent Batterieladung an. Während der Fahrt wies das Navigationssystem auf einen erforderlichen Ladestopp hin, mit der Entfernung zur Station und dem dort zu erwartenden Batteriestand. In unserem Fall waren dies 16 Prozent. Weiters erhielten wir den Vorschlag dort acht Minuten lang bis 31 Prozent zu laden, um mit 15 Prozent an unserem Ziel in Tirol anzukommen.
An der empfohlen IKB-Schnellladestation (150 kW) an der Autobahnraststätte Europabrücke kamen wir tatsächlich mit 16 Prozent SoC an. Um Zeit für ein kurzes Mittagessen zu haben, entschieden wir uns, bis 80 Prozent zu laden. Dazu stellte ich diesen Wert im Media-Display als maximalen Ladezustand ein. Durch scannen des QR-Codes der ausgewählten Ladesäule mit dem Smartphone kam ich auf die Website der be.ENERGISED Community. Als registrierter Kunde konnte ich durch Autorisierung eines Betrages von 80 Euro mittels PayPal den Ladevorgang unkompliziert starten. Obwohl Mercedes-Benz die maximale Ladeleistung mit 100 kW angibt, lud der EQA mit bis zu 112 kW. In 27:35 Minuten waren so 45 kWh geladen und die Fahrt konnte weitergehen. Die Abrechnung pro Minute ergab den sehr günstigen Ladetarif von 0,25 Euro/kWh. Nach 279 Kilometern mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 18,8 kWh/100 km erreichten wir unser Ziel, den Pappas Tirol Standort Kirchbichl, mit 66 Prozent Batterieladung.
ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO
Der Mercedes-Benz EQA 250 erwies sich im Test als sehr ausgereifter Stromer. Der Kompakt-SUV verbindet die Tugenden des konventionell angetrieben Bruders GLA mit einer neuen Antriebstechnologie. Die hochwertige Ausstattung ließ im Test keinerlei Wünsche offen. Durch die intuitive Bedienung benötigte ich kaum Eingewöhnungszeit. Das aufwendige Fahrwerk und die guten Fahrleistungen bieten hohen Komfort. Während der Reise an den Gardasee mit insgesamt 781 zurückgelegten Kilometern ergab sich ein Durchschnittverbrauch von 18,9 kWh/100 km. Mit der daraus resultierenden Praxisreichweite von 350 Kilometern bewies der EQA seine volle Langstreckentauglichkeit. Der Preis des EQA 250 startet in Österreich bei 48.590 Euro. Das Testfahrzeug mit umfangreicher Sonderausstattung liegt bei 64.766 Euro. Ein stolzer Preis für einen Kompakt-SUV, der in Anbetracht des Gebotenen jedoch angemessen erscheint.
Text und Fotos: Armin Hoyer – arminonbike.com
Titelbild: Dagmar Berger