Kitzbühel | Tirol – Aus dem Stand die 100 km/h-Marke in unter drei Sekunden geknackt, das Dachzelt in unter drei Minuten aufgebaut – viel sportlicheres Campen geht wohl nicht mehr. Der Porsche Taycan Turbo S Cross Turismo mit einem Zelt am Dach macht es möglich. Ich durfte den Supersport-Kombi und die mobile Behausung für euch testen…
Anfang 2020 kam die viertürige Sportlimousine Porsche Taycan als erstes rein elektrisch angetriebenes Fahrzeug der Marke auf den Markt. Gut ein Jahr später folgte die Kombi-Version Cross Turismo und das erste Porsche E-Bike. Im vergangen Sommer durfte ich bereits die überarbeitete Version des vom Taycan inspirierten eBike Cross testen (hier geht´s zum Testbericht…). Diesmal war das Auto selbst an der Reihe, mit Hauptaugenmerk auf dem, was oben drauf montiert war: das neue Dachzelt aus dem hauseigenen Zubehörprogramm.
Porsche Austria stellte mir das Topmodell der Baureihe, den Taycan Turbo S Cross Turismo, in der Farbe „Eisgraumetallic“ zur Verfügung. Das interessante an der Sonderfarbe ist, dass diese bei einem bestimmten Lichteinfall leicht hellblau schimmert. Optisch passte das schwarz/hellgraue Hartschalen-Case, das das Zelt beherbergt, sehr gut ins edle Bild. Wie schon beim E-Bike war auch beim Design des Hardcase das Studio F. A. Porsche mit Zentrale in Zell am See beteiligt. Schwarze Farbaktente am Auto und 21-Zoll-Räder im Cross Turismo-Design rundeten den Gesamteindruck hervorragend ab.
ICH FOLGTE DEM ABENTEUERRUF
Der für leichtes Gelände geeigneten Cross Turismo mit Zelt am Dach weckte echtes Outdoor-Feeling in mir. So brach ich nach einigen Erledigungen in Linz von dort zum Camping-Wochenende am Kitzbüheler Schwarzsee auf. Im 446 Liter fassenden Kofferraum brachte ich locker das nötige Camping-Equipment unter. Bei umgelegten Rücksitzen und damit 1.212 Liter Fassungsvermögen hätte ich auch mein Mountainbike im Auto mitnehmen können. Dieses blieb diesmal aber zu Hause. Wem das bereits üppig dimensionierte Kofferraumvolumen noch nicht ausreicht, der findet vorne unter der Motorhaube einen zusätzlichen 84-Liter-Stauraum.
UND OBENDRAUF DAS ZELT
Das Hardcase mit dem Zelt wiegt 56 Kilogramm und lässt sich mit den mitgelieferten Montagebügeln stabil auf dem Basisträger Dachtransportsystem der Porsche-Modelle Taycan, Macan, Cayenne, Panamera und 911 montieren. Dies ist auf Fahrzeugen mit und ohne Dachreling möglich. Wie auch bei meinem Testfahrzeug ist der Vorteil einer vorhandenen Dachreling, dass diese eine maximale Zuladung im Zelt von 190 Kilogramm erlaubt. Gegenüber der rund 140 Kilogramm ohne Dachreling, bei denen es für zwei Personen mit Gepäck schon knapp werden kann. Laut Empfehlung von Porsche sollte man mit montiertem Hardcase nicht schneller als 130 km/h fahren, was auf Österreichs Straßen ohnehin keine Einschränkung bedeutet.
SUPERSPORTLER IM TARNANZUG
Beim Einsteigen nahm ich sportwagen-like ziemlich tief unten in dem feinen Ledersitz Platz. Das belüftbare Sportgestühl verfügt über alle erdenklichen elektrischen Einstellmöglichkeiten, mit denen sogar die Seitenwangen der Lehne und Sitzfläche zu justieren sind. So kann man entweder auf langen Fahrten ganz entspannt sitzen, oder sich für den sportlichen Einsatz regelrecht festschrauben. Am Weg aus der Stadt machte ich noch einen kurzen Abstecher zum Porsche Zentrum Oberösterreich, bevor es in Traun auf die Westautobahn ging. Das serienmäßige Luftfahrwerk in der Einstellung „Normal“ ließ mich sanft durch den Freitagnachmittagsverkehr gleiten. Der aktivierte Abstandstempomat mit Verkehrszeichenerkennung sowie der Spurhalteassistent erhöhten zusätzlich den Reisekomfort.
Beim Sprint von 0 auf 100 km/h zählt der Taycan Turbo S Cross Turismo mit 2,9 Sekunden in Sachen Beschleunigung zu den echten Supersportlern. Möglich macht dies bei Verwendung der Launch Control die Overboost-Leistung von 560 kW (761 PS). Bei meinem Test grub sich der 2,4 Tonnen schwere Wagen bei aktivierter Launch Control nach dem Loslassen des Bremspedals förmlich in den Asphalt. Ich wurde unbeschreiblich nach vorne katapultiert und mit 1,1 g in den Sitz gedrückt (siehe nachfolgendes Video). Die Beschleunigung von unter drei Sekunden auf 100 kann im positiven Sinne als „abartig“ bezeichnet werden und ist auf öffentlichen Straßen nur mit großem Bedacht einsetzbar. Dazu passend verzögern die im Turbo S serienmäßig verbauten Keramikbremsen mit äußerst eindrucksvoller Vehemenz. Vorne werden die Bremsbeläge von 10 Kolben auf 420 mm-Keramikverbund-Bremsscheiben gedrückt, was die unbeschreiblich hohe Bremsleistung ermöglicht.
AUCH BEIM LADEN „TURBO“
Da ich an diesem Tag mit niedrigem Akkustand gestartet war, wurde in Eberstallzell der erste Ladestopp fällig. Ich erreichte die 350 kW-Ionity-Schnellladesäule mit einem Akkuladestand von 17 Prozent. Der Taycan lud dank seiner 800 V-Technologie mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit. In nur 16 Minuten waren mit Gleichstrom 55 kW geladen und der Akku hatte wieder 80 Prozent SoC erreicht. Die maximale Ladeleistung lag bei beeindruckenden 267 kW. In Salzburg nützte ich eine Shopping-Pause im Europark für einen weiteren Tankstopp. An der am Parkdeck gelegenen 22kW-da emobil-Ladesäule kam ich mit 55 Prozent SoC an. Mit dem zur Zusatzausstattung zählenden 22kW-On-Board-AC-Lader konnte ich mit dem mitgeführten Ladekabel eine sehr praxistaugliche Ladeleistung von 20,8 kW erzielen. In 45 Minuten war der Akku mit zusätzlichen 22 kWh befüllt. Mit 77 Prozent SoC und einer Reichweite von 228 Kilometern war ich gut für ein Campingwochenende mit kleineren Tagesausflügen gerüstet.
Nach dem „Kleinen Deutschen Eck“ und St. Johann in Tirol war bald die Ortseinfahrt von Kitzbühel erreicht. Kurz nach dem Tunnel Richtung Brixental kam ich beim Schwarzsee an. Dort bot sich mir gleich einmal ein herrlicher Blick auf den Wilden Kaiser. Direkt vor dem Strandbad stehen zwei Ladesäulen der Kitzbüheler Stadtwerke. Während eines Ladevorgangs kann man am See entlang spazieren und den Blick aufs Kitzbüheler Horn genießen.
NACHHALTIGES CAMPEN AM SCHWARZSEE
Nach ein paar weiteren hundert Metern Fahrt erreichte ich den Campingplatz Schwarzsee der zum Biohotel Bruggerhof gehört, das bereits in der dritten Generation von der Familie Reiter geführt wird. Wunderschön gelegen im Naturschutzgebiet „Moor am Schwarzsee“ ist der See durch ein kleines Waldstück in nur wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Auf dem 70.000 m² großen Areal ist auch sonst alles zu finden, was das Camperherz begehrt. Sogar ein Wellnessbereich mit Hallenbad, Whirlpool, Fitnessraum und mehreren Saunen ist inkludiert.
Ganz dem Biogedanken der Familie Reiter folgend, werden in der Anlage sowohl im Biorestaurant als auch im Lebensmittelgeschäft „BioGreißler“ ausschließlich nachhaltige und zu 100% Bio-Produkte angeboten. Und wer weder Zelt, Wohnmobil noch Wohnwagen mit dabeihat, kann entweder im Biohotel oder in den aus naturbelassenem Holz gebauten Mobile Homes übernachten. Die sogenannten „Igluhuts“ im nordischen Stil bieten Platz für bis zu vier Personen. Ganz neu am Campingplatz ist jetzt auch ein E-Bike-Verleih. Alles in allem ein sehr nachhaltiges Urlaubsvergnügen.
DAS ZELT IST IN NUR WENIGEN MINUTEN EINSATZBEREIT
Nachdem mir Rene vom Campingplatz Schwarzsee einen schönen Stellplatz zugwiesen hatte, begann ich gleich mit dem Aufbau des Dachzelts. Zuerst sperrte ich das Schloss der Sicherheitslaschen auf und öffnete diese. Nachdem ich den Deckel der Box etwas angehoben hatte, schwenkte dieser mit Hilfe von zwei Gasdruckdämpfern ohne zusätzlichen Kraftaufwand nach oben. Im nächsten Schritt klappte ich die Teleskopleiter heraus und damit auch gleich das Fußteil des Unterbodens. Dann nur noch die Matratze für die Erweiterungsplatte in die richtige Position gebracht und schon war auch die Liegefläche fertig. In einem kleinen Fach beim Einstieg sind die vier Federstäbe praktisch verstaut. Mit diesen spannte ich die Plane des Vordachs und die der beiden Seitenfenster. Nach diesen paar Handgriffen war das Zelt in weniger als drei Minuten aufgestellt. Eine detaillierte Aufbaubeschreibung ist im Benutzerhandbuch des Dachzelts zu finden.
Über die stabile Teleskopleiter kletterte ich in das Zelt. Jetzt war erst einmal Probeliegen angesagt. Die Matratze aus hochdichtem Polyschaum fühlte sich für Campingverhältnisse gleich recht bequem an. Die für zwei Personen großzügig ausgelegte Liegefläche von 210 x 130 Zentimetern sorgte für zusätzlichen Komfort. Die Zeltwände bestehen aus atmungsaktiven Baumwollmischgewebe, über dem Dach und dem Einstieg befindet sich zusätzlich eine wasserdichte Regenhülle. Der Innenraum ist mit gestepptem Futter ausgekleidet, das auch zu einer guten Isolierung beiträgt. Die beiden Seitenfenster ermöglichten mir einen zusätzlichen Blick nach draußen. Alle Öffnungen verfügen über Insektenschutzgitter, die sich zum Lüften vollständig öffnen lassen. Ein weiteres Highlight ist das Skyview-Fenster, das auch im Liegen einen Blick auf den Sternenhimmel zulässt. Da die Außentemperatur in Kitzbühel an diesem Mai-Wochenende auf fünf Grad sank, war es für eine angenehme Nacht im Zelt noch eindeutig zu kalt. So entschloss ich mich schweren Herzens, die erste Übernachtung im Porsche-Dachzelt auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Vor der Heimfahrt tankte ich noch beim Sportpark in Kitzbühel. Die Stadtwerke Kitzbühel betreiben dort am Parkplatz P6 Kapser Kreisel einen Schnellladepark mit vier Ladestationen. Der 100 Prozent grüne Strom kommt von AAE Naturstrom, die Ladesäulen von EnerCharge. Ich startete den Ladevorgang bei 14 Prozent Akkuladung. Die maximale Ladeleistung von 194 kW stellte sich bei 22 Prozent SoC ein. Nach 26 Minuten hatte der Akku 80 Prozent erreicht. Ich nutzte die Zeit für einen Spaziergang durch die Gamsstadt. Nahezu zeitgleich mit meiner Rückkehr zum Auto war der Akku nach insgesamt 48 Minuten zu 100 Prozent geladen und das Display zeigte 313 Kilometer Reichweite an. Dies ermöglichte mir eine Rückreise ohne Ladestopp.
ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO
Insgesamt war ich mit dem Taycan etwas mehr als 1.500 Kilometer unterwegs. Und was soll ich euch sagen, die Erfahrungen waren geprägt von Superlativen. Extrem hochwertige und exzellent verarbeitete Materialen, Supersport-Performance in Hinsicht auf Beschleunigung und Fahrwerk. In Kombination mit dem großzügigen Raumangebot für Passagiere und Gepäck kann man beim Cross Turismo von einem echten Allrounder sprechen, dessen Einsatzmöglichkeiten durch das Dachzelt noch vielfältiger werden. Auch das Zelt ist sehr hochwertig verarbeitete und bietet eine komfortable Übernachtungsmöglichkeit für zwei Personen. Der unkomplizierte Aufbau erhöht den Campingspaß.
Weniger erfreulich war der hohe Verbrauch des Taycan, der durch den Luftwiderstand der Dachbox naturgemäß noch etwas höher ausfiel. Aber gerade, wenn man mit einem Dachzelt eine unbeschwerte Urlaubsreise antreten möchte, spielt der Verbrauch und die damit verbundene Reichweite eine wesentlich Rolle. Bei 30 kWh/100 km bei Autobahntempo 130 sowie 25 kWh/100 km kombiniert auf der Landstraße und innerorts lässt auch die Performancebatterie Plus mit einer nutzbaren Bruttokapazität von 83,7 kWh nur eine Reichweite von etwas mehr als 300 Kilometern zu. Auf den Hauptverkehrsrouten mit ausreichend Schnelllademöglichkeiten mag dies aufgrund der hohen Ladegeschwindigkeit des Taycan kein Problem sein. Sobald man sich aber für ein Outdoor-Abenteuer in etwas entlegenere Gegenden wagt, kann dies durchaus ein Thema werden.
Der Preis des Porsche Taycan startet in Österreich mit Heckantrieb bei 96.000 Euro, mit Allradantrieb bei 118.000 Euro (Taycan 4S). Der aktuelle Grundpreis der getesteten Topversion Turbo S Cross Turismo liegt bei 203.000 Euro. Mit der umfangreichen Zusatzausstattung lag das Testfahrzeug bei 222.000 Euro. Da fällt dann das Dachzelt nicht mehr so stark ins Gewicht. Das ganzjahrestaugliche Zwei-Personen-Zelt ist in Österreich bei den Porsche Vertriebspartnern um 5.269 Euro bestellbar.
Text und Fotos: Armin Hoyer – arminelectric.com