28. Juni 2024 Armin Hoyer

Elektrische Rennsemmel | Städtetrip mit dem Abarth 500e Cabrio

Abarth 500e am Residenzplatz in Salzburg

Salzburg-Wien – Abarth steht seit der Gründung im Jahr 1949 für Rennsport pur und ist seit den 50er-Jahren eng mit dem Fiat 500 verbunden – zahlreiche Rennwägen wurden auf dessen Basis entwickelt. 2007 wurde Abarth vom Fiat-Konzern wiederbelebt und mehrere Versionen auf Basis des 500er auf dem Markt gebracht. Darunter auch ein Stromer …

Als erstes Elektrofahrzeug der Marke mit dem Skorpion elektrisiert der Abarth 500e auf den ersten Blick schon allein durch seine Farbe: „Acid Green“ ist ein echter Hammer und sorgt überall für erstaunte Blicke. Als farblicher Akzent sind Frontspoilerlippe und Heckdiffusor-Einsatz in Weiß gehalten. Auf seinen 18“-Leichtmetallrädern mit Diamantschliff in Titanium-Grau steht er angriffslustig da, jederzeit zum Sprung bereit. Das Abarth-Logo auf der Motorhaube, Schriftzüge vorne, seitlich und hinten sowie Skorpione an den Seiten stellen sofort klar, womit ich es hier zu tun habe.

Nachdem ich bereits den Abarth 595 Pista und den Fiat 500e testen durfte, hatte ich jetzt die Kombination aus beiden Welten am Start: Der Abarth 500e Cabrio in der Topversion „Turismo“ wurde mir von Denzel Salzburg und dem österreichischen Abarth-Importeur FCA Austria für einige Tage zur Verfügung gestellt. Die Denzel-Gruppe feiert heuer ihr 90-jähriges Bestehen. Die Wolfgang Denzel Auto AG vertreibt österreichweit 21 Fahrzeugmarken an 21 Standorten und importiert fünf davon selbst.

IST DER FAHRSPASS BEIM ABARTH 500E GEBLIEBEN?

Der elektrische Abarth basiert auf dem Fiat 500e. Durch eine Leistungssteigerung treibt der Elektromotor jetzt mit 113,7 kW (155 PS) die Vorderräder an und liefert ein maximales Drehmoment von 235 Nm. Das 1.360 kg schwere Cabrio beschleunigt zwar zügig, ein Abarth könnte jedoch etwas mehr vertragen. Zudem ist die Kraftentfaltung aufgrund des Elektroantriebs gleichmäßiger und geschmeidiger geworden. Dadurch fühlt sich der Antritt nicht mehr ganz so sportlich an, wie beim Benziner. Auch das Fahrwerk ist etwas sanfter abgestimmt, was sich jedoch durchwegs positiv auswirkt. Die Straßenlage ist durch den tiefen Schwerpunkt zumindest auf gleichem Niveau, die direkte Lenkung liefert optimales Feedback. So erlebte ich auch mit dem kleinen E-Flitzer Fahrspaß pur.

Laut Werksangabe ist der Sprint von null auf 100 km/h nach sieben Sekunden erledigt, bei 155 km/h Höchstgeschwindigkeit wird abgeregelt. Mit der Funktion „Drag Race“ konnte ich die Beschleunigungszeiten selbst messen. Von 0-60 km/h brauchte der kleine Racer laut Anzeige 3,4 Sekunden, von 0-100 km/h benötigte er 7,8 Sekunden. Aufgefallen ist mir bei den Sprinttests, dass der Vorderradler beim Wegfahren leichte Traktionsprobleme hat. Bei 160 km/h am Tacho endete der Vortrieb.

Zur Auswahl stehen drei unterschiedliche Fahrmodi. Im Modus „Turismo“ sind Leistung und Drehmoment reduziert. Im Modus „Skorpion Street“, den ich vor allem im Stadtverkehr sehr zu schätzen lernte, ist astreines One-Pedal-Driving möglich. Die starke Rekuperation wirkt im ersten Moment etwas ungewohnt, hat in der Folge aber recht gut gepasst. Die Bremswirkung reicht dabei soweit, dass das Fahrzeug vollkommen zum Stillstand kommt – zusätzliches Bremsen ist so kaum erforderlich. Bei „Skorpion Track“ wird nicht rekuperiert, dafür kann man das Fahrzeug auch rollen lassen.

VIEL ALCANTARA IM SPORTLICHEN INNENRAUM

Gleich beim Einsteigen sind die sportlichen Gene unübersehbar. Die mit Alcantara bezogenen Sportsitze mit integrierten Kopfstützen, färbigen Doppelnähten und Skorpion-Logo-Prägung bieten guten Seitenhalt. Durch die ergonomische Formgebung ist auch auf der Langstrecke guter Sitzkomfort gegeben. Das Dreispeichen-Sportlenkrad liegt gut in der Hand. Im Griffbereich ist es mit Alcantara bezogen, der Rest mit Leder. Die markante 12-Uhr-Markierung in Poison Blue ist eine Anleihe aus dem Rennsport. Dahinter befindet sich das digitale Cockpit mit 7-Zoll-TFT-Farbdisplay. Je nach Fahrmodus ändert sich das Erscheinungsbild (das Foto zeigt „Skorpion Street“). Auch beim Armaturenbrett kommt Alcantara zum Einsatz. Mittig sitzt ein 10,25-Zoll-Touchscreen, über den alle Funktionen ersichtlich und steuerbar sind. Die Größe ist vollkommen ausreichend, die angezeigten Inhalte können auch hier individuell angepasst werden. Praktischerweise ist die Klimatisierung zusätzlich über die darunter liegenden Kipphebel regelbar. Damit sind ein direkter Zugriff und unkomplizierte Einstellmöglichkeit gewährleistet.

Ablagen sind ausreichend vorhanden, mittig im Armaturenbrett kann ein Smartphone induktiv geladen und ein weiteres über einen USB-Stecker angeschlossen werden. Die Platzverhältnisse im Innenraum sind vorne sehr gut, auf der hinteren Sitzreihe für zwei Personen bis 165 cm Köpergröße auch ausreichend. Das Kofferraumvolumen ist mit 185 Litern sehr klein geraten und beim Cabrio auch nur durch eine kleine Klappe zugänglich. Nach Umklappen der 50:50 teilbaren Rückbank werden es immerhin 550 Liter. Dann finden zwei Trolleys, zwei weitere Taschen und ein paar Kleinigkeiten ausreichend Platz.

Um die legendäre Geräuschkulisse der Record Monza-Auspuffanlage des Benziners in das Elektrozeitalter zu retten, wurde dem Elektro-Abarth ein Soundgenerator verpasst. Der Ton ändert sich beim Beschleunigen und klingt zeitweise auch ganz realistisch. Ein netter Gag, der aber nicht ganz zum Charakter eines Elektroautos passt. Am angenehmsten empfand ich jedes Mal die Stille, die sich nach dem Deaktivieren einstellte.

VERBRAUCH, REICHWEITE UND REISETAUGLICHKEIT

Der Test führte mich auf knapp 1.000 Kilometern zuerst von der Stadt Salzburg in den Bezirk Kitzbühel und dann nach Wien. Im Stadtverkehr, dem bevorzugten Revier des Abarth 500e, zeigte sich der Stromer sehr sparsam. Mit einem Verbrauch von 12-13 kWh/100 Kilometer bei sommerlichen Temperaturen in Salzburg und Wien waren mit der 42,2 kWh-Batterie (37,8 kWh netto) an die 300 Kilometer Reichweite möglich. Zuhause im Bezirk Kitzbühel unterwegs reichte es bei 14-15 kWh/100 km für rund 250 Kilometer.

Ein Wochenendtrip nach Wien brachte Aufschluss über die Reisetauglichkeit des kleinen Italieners. Nach dem ersten Ladestopp am McDonald´s-Parkplatz in Ansfelden, bei dem ich während einer Kaffeepause in 29:30 Minuten an einer Mer-Ladestation von 12 auf 87 Prozent aufgeladen hatte, wurde es mit der Reichweite bis Wien ein wenig knapp. Nach 170 Kilometern auf der Westautobahn bei 120 km/h waren beim Auhof Center gerade einmal 4 Prozent SoC übrig – Verbrauch: 19 kWh/100 km. Bei der 300-kW-Ladestation des Anbieters Allego, erreichte der Abarth wieder eine maximale Ladeleistung von 84,5 kW und lud in 34 Minuten auf 80 Prozent auf. Dies entsprach der Werksangabe. An der Haushaltssteckdose beträgt die Dauer für das Laden von 0-100 Prozent laut Abarth 15:15 Stunden, an einer 11-kW-Wallbox oder -Ladesäule 4:15 Stunden.

Nachdem bei der Rückfahrt von Wien nach Salzburg am Knoten Steinhäusl keine Ladesäule frei war, legte ich den ersten Ladestopp in Böheimkirchen an einer 150-kW-Ladestation von der EVN ein. In 28:45 Minuten stieg der Akkuladestand von 8 auf 80 Prozent. In Ansfelden waren davon noch 11 Prozent übriggeblieben. Bis 80 Prozent dauerte es diesmal 33 Minuten. Mit 72,7 kW lag die maximale Ladeleistung an diesem Tag bei beiden Ladevorgängen etwas unter den Möglichkeiten. Dies wirkte sich jedoch nur unwesentlich auf die Ladedauer aus. Die Bezahlvorgänge erledigte ich auch bei diesem Test wieder vollkommen unkompliziert mit meiner EnBW mobility+ App, über die ich mit hinterlegter Kreditkarte monatlich eine Abrechnung der getätigten Ladevorgänge erhalte.

ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO

Mit dem Abarth 500e hat die Traditionsmarke den Sprung ins Elektrozeitalter geschafft. Auch bei der elektrifizierten Variante steht der Fahrspaß im Vordergrund. Die Cabrio-Version vestärkt diesen zusätzlich. Das Design stimmt, beim Antrieb fehlt ihm jedoch etwas der Biss. Damit sich dieser ähnlich sportlich anfühlt wie bei seinem Benzin-Pendant, würde ihm etwas mehr Leistung ganz gut tun. Damit könnte sich der kleine Skorpion auch deutlicher von seiner Basis, dem Fiat 500e, abgrenzen. Besonders wohl fühlt er sich mit seinen Abmessungen natürlich in der Stadt – hier lässt er sich wieselflink durch den Großstadtdschungel bewegen.

Wie der Test gezeigt hat, ist aber auch ein Städtetrip über die Autobahn problemlos zu bewältigen. Mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 19 kWh/100 km bei 120 km/h zeigte sich der Abarth 500e recht genügsam. Zwischen Salzburg und Wien reichte jeweils ein Ladestopp, der nach rund einer halben Stunde erledigt war. Durch die angenehmen Sportsitze und die ausgewogene Abstimmung des Fahrwerks wird auch die Langstrecke zum Vergnügen. Aufgrund des geringen Verbrauchs ist die 42,2 kWh-Batterie (37,8 kWh netto) im Alltag, zumindest bei sommerlichen Temperaturen, vollkommen ausreichend. Natürlich wäre auf der Reise etwas mehr Reichweite wünschenswert, das kann man aber von einem Fahrzeug dieser Größe nicht erwarten.

Gefehlt haben mir beim Topmodell des Abarth 500e die gängigen Assistenzsysteme „Adaptive Spurführung“ und „Adaptiver Tempomat“. Diese ermöglichen autonomes Fahren Level 2, bei dem das Fahrzeug automatisch die Spur hält, abbremst und beschleunigt. Im Gegensatz zum Fiat 500e ist dieses vor allem auf der Autobahn sehr komfortable Feature für den Abarth nicht verfügbar.

Der Abarth 500e kostet in Österreich ab 38.500 Euro. Das Testfahrzeug in der Cabrio-Version mit der Top-Ausstattung „Turismo“ und in der Farbe „Acid Green“ liegt bei 46.800 Euro. Das ist ein ziemlich happiger Preis für einen kleinen Flitzer mit überschaubarem Alltagsnutzen und wahrscheinlich der Grund, warum man ihn viel zu selten auf unseren Straßen sieht. Eine Bereicherung für das Straßenbild ist die sportliche Knutschkugel nämlich definitiv.

28.06.2024 | Text und Fotos: Armin Hoyer – arminelectric.com

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