Kundl | Tirol – Die neue Aprilia Tuono 660 ist erst vor kurzem bei den Händlern eingetroffen. Mit dem von der RS 660 abgeleiteten Naked Bike ist der Hersteller aus Noale im italienischen Venetien mit seinem Klassiker Tuono in der heiß umkämpften Mittelklasse angekommen. Ich hatte die Gelegenheit, das Motorrad in Tirol und Salzburg zu testen…
Der Motorradhändler Zweirad Ginzinger mit Zentrale im oberösterreichischen Ried im Innkreis ist der Aprilia-Generalimporteur für Österreich. Ich durfte mir die nagelneue Tuono 660 in „Iridium Grey“ von der Filiale in Kundl abholen. Nach kurzer Erklärung des Bikes von Werkstättenleiter Benni konnte es auch schon los gehen. Gleich zu Beginn fiel mir die Handlichkeit der Tuono auf. Das Leergewicht von 183 kg fahrfertig verleiht dem im Aprilia-Werk Scorzè nahe Noale gebauten Bike eine Leichtfüßigkeit, die richtig Spaß macht. Dasselbe gilt für die aufrechte, leicht nach vorne geneigte Sitzposition. Mit an den optimal geformten Tank angelegten Oberschenkeln und engem Knieschluss fühlte ich mich sofort in das Motorrad integriert.
NEU ENTWICKELTER PARALLEL-TWIN
Der sehr kompakte Zweizylinder-Reihenmotor mit 659 cm³ leistet 95 PS/70 kW bei 10.500 U/min und verfügt über ein maximales Drehmoment von 67 Nm bei 8.500 U/min. Angesichts dieser Werte möchte man meinen, die Tuono 660 performt nur im oberen Drehzahlbereich gut. Dies ist aber nicht der Fall. Natürlich geht es ab 7.000 U/min begleitet von kernigem Motorsound so richtig zur Sache. Aber auch darunter liefert das Aggregat bereits ordentlich Leistung und kann daher auch schaltfaul gefahren werden. Bei 4.000 U/min stehen bereits 80 Prozent des maximalen Drehmoments zur Verfügung. Der vom V4 der 1100er Tuono 1100er abgeleitete Motor verfügt über vier Ventile pro Zylinder und zwei obenliegende Nockenwellen. Der Hubzapfenversatz von 270 Grad sorgt für die Leistungscharakteristik und den Sound eines V-Twins.
FAHRWERK UND HANDLING TOP
Als Teststrecke wählte ich die Hochkönig Straße von Saalfelden bis Dienten am Hochkönig. Vor allem die kurvenreiche Strecke von Hinterthal hinauf zum Filzensattel eignet sich besonders gut, Fahrwerk und Handling zu testen. Der kurze Radstand von 1.370 mm und der steile Lenkkopfwinkel von 24,1 Grad sorgt dafür, dass die Tuono 660 in Kurven bereitwillig einlenkt und sich spielerisch von einer auf die andere Seite legen lässt. Trotzdem ist das Bike sehr spursicher und so wird jedes Kurvengeschlängel zum reinen Vergnügen. Das einstellbare Fahrwerk ist im Standardsetting straff aber nicht unkomfortabel ausgelegt. Die Serienbereifung passt zum sportlichen Charakter. Der Pirelli Rosso Corsa II ist sowohl für die Straße als auch die Rennstrecke sehr gut geeignet. Bis 35 Grad Schräglage sorgen die Profilrillen für gute Regeneigenschaften, darüber hinaus ist der Reifen ein reiner Slick für optimalen Kurvengrip. Ein kleiner Wehrmutstropfen in Bezug auf das Handling ist der nicht serienmäßige Quickshifter in Kombination mit dem wegen des großen Abstandes etwas schwer erreichbaren, nicht einstellbaren Kupplungshebel.
ASSISTENZSYSTEME MIT KLEINER EINSCHRÄNKUNG
Die Brembo-Bremsanlage mit ABS packt kräftig zu, ein oder zwei Finger reichen zum Bremsen vollkommen aus. Kurven-ABS ist nur in Verbindung mit der sechsachsigen Sensoreinheit IMU verfügbar, die nicht serienmäßig ist und nur als Zubehör nachgerüstet werden kann. Diese ist auch Voraussetzung dafür, dass die serienmäßige Traktionskontrolle schräglagenabhängig arbeitet. Wheelie Control, die einstellbare Motorbremse und unterschiedliche Motor-Mappings sind die weiteren verbauten elektronischen Fahrhilfen. Ein Tempomat ist auch mit an Bord. Die fünf verfügbaren Fahrmodi passen die Eingriffsintensität der Assistenzsysteme an die jeweilige Anforderung an. Drei davon sind für den Straßenbetrieb konzipiert. Davon ist einer für die tägliche Fahrt, einer für sportliches Fahren und einer frei konfigurierbar. Die zwei weiteren Modi sind für den Einsatz auf der Rennstrecke vorgesehen, um das volle Potenzial der Tuono 660 auszuschöpfen. Auch davon ist einer individuell einstellbar.
ARMIN ON BIKE CONCLUSIO
Die Aprilia Tuono ist mit der 660er jetzt auch in der Naked Bike-Mittelklasse vertreten. Mit modernisiertem Design, aber immer noch eindeutig als Tuono erkennbar. Der neue Motor macht richtig Spaß, Fahrwerk und Ergonomie sind auch sehr gut gelungen. Preislich ist sie aber kein Schnäppchen. Um 12.590 Euro (Österreich) sind Kurven-ABS und schräglagenabhängige Traktionskontrolle sowie der Schaltassistent noch nicht dabei. Die dafür erforderliche IMU-Sensoreinheit kostet als Zubehör 505 Euro, der Quickshifter 251 Euro. Dazu kommen noch die Kosten für den Einbau. Die vergleichbare japanische Konkurrenz bietet um rund 10.000 Euro mehr Hubraum und Leistung. Auch die deutlich stärkere KTM 890 Duke ist um rund 1.000 Euro günstiger. Aus meiner Sicht wird die Anzahl der Tuono 660 daher auf unseren Straßen eher überschaubar bleiben, was sie aber für den einen oder anderen noch attraktiver machen wird. Aufgrund des gelungenen Gesamtpakets wird sie sicherlich nicht nur in der Tuono-Fangemeinde ihre Käufer finden.
Text und Fotos: Armin Hoyer – arminonbike.com
Fotos mit Armin: Dagmar Berger