30. Juni 2022 Armin Hoyer

Ein Raumschiff kommt geflogen | Futuristischer BMW CE 04 Elektroroller im Test

Armin on BMW CE 04 in Kitzbühel | Photo: Dagmar Berger

Kitzbühel | Tirol – Mit dem CE 04 bringt BMW einen vollkommen neuen Elektroroller mit zukunftsweisendem Design und Technik auf den Markt. Als einziger Großserienhersteller mit einem großen E-Scooter im Programm gehen die Bayern bei der einspurigen Elektromobilität damit bereits in die zweite Runde. Der Test zeigte, was der Roller der Zukunft so drauf hat…

Als Teil der BMW Group in Österreich ist BMW Austria mit Sitz in Salzburg seit 1977 für den Import und Vertrieb der Konzernmarken hierzulande verantwortlich. Dazu zählen aktuell BMW, MINI, Rolls-Royce und BMW Motorrad. 2021 war für BMW Motorrad in Österreich mit 2.084 Neuzulassungen das erfolgreichste Jahr seiner Geschichte. BMW trägt dem unaufhaltsamen Trend in Richtung Elektromobilität auch im Zweiradbereich Rechnung.

Nach dem C evolution handelt es sich beim BMW CE 04 bereits um zweite Generation eines vollelektrischen Rollers. Diesmal ist mit dem futuristisch anmutenden Design auch optisch eine klare Abgrenzung gegenüber den konventionell angetriebenen Brüdern gelungen. Ich durfte den E-Scooter bei BMW Austria für einen Test in Tirol abholen.

OPTISCH LIEBE AUF DEN ZWEITEN BLICK

Das futuristische Design mit der innovativen Formsprache polarisiert natürlich unweigerlich. Auf den ersten Blick kam mir der CE 04 im vorderen Bereich etwas zu wuchtig vor. Nach einigen Tagen gewöhnte ich mich aber an das ungewohnte Erscheinungsbild und konnte mich sogar damit anfreunden. Die klaren Linien und Formen passen gut zu dem zukunftsorientierten Konzept. Die breite Verkleidung mit den angedeuteten Winglets bietet guten Schutz vor Umwelteinflüssen und schaut dabei auch noch schick aus. Lediglich bei der Lenkerverkleidung kam für meinen Geschmack etwas zu viel Plastik zum Einsatz.

Der hintere Bereich des Scooters ist offener gestaltet und wirkt damit leichter. Einarmschwinge und Federbein sind gut sichtbar. Ebenso der Zahnriemen, der die Kraft auf das mattschwarze Hinterrad überträgt. Die Farbe „Magellangrau metallic“ des Testfahrzeugs passte sehr gut zum Erscheinungbild. Gemeinsam mit den seitlichen orangen Akzenten, auf Sitzbank und dem getönten Windschild ist sie Teil der Sonderausstattung „Avantgarde“. Die Sitzbank fällt wesentlich komfortabler und angenehmer aus, als sie aufgrund der minimalistischen Optik vermuten ließe. Das auch im Sitzen erreichbare, seitlich zu öffnende Staufach bietet ausreichend Platz für ein Ladekabel, einen Vollvisierhelm und in meinem Fall noch eine Fotokamera.

UND DANN GING´S SCHON LOS

Schon beim ersten Anheben aus dem Seitenständer und nachfolgendem Rangieren fiel mir auf, dass es sich bei dem Roller um kein Leichtgewicht handelt. Satte 231 Kilogramm bringt der Bayer auf die Waage. Da macht es Sinn, dass durch einfaches Drücken einer Taste an der linken Lenkerarmatur ein Rückwärtsgang aktiviert werden kann. Dieser ist gut dosierbar und erleichtert das Rangieren ungemein. Ist man erst einmal unterwegs, ist das Gewicht schnell vergessen. Zuerst beeindruckte mich, mit welcher Leichtigkeit und Vehemenz das Gefährt beschleunigt. In 2,6 Sekunden sind ganz ohne Kuppeln und Schalten 50 km/h erreicht. Damit ist man bei jedem Ampelstart vorne.

Der Roller lässt sich sehr agil bewegen und ist trotz des langen Radstands für meine Begriffe ausreichend wendig. Diese Erfahrung machte ich zumindest innerhalb kleiner Ortschaften, enges Durchschlängeln im dichten Großstadtdschungel stand bei diesem Test nicht am Programm. Auf meinem ersten Weg vom Pillerseetal über Hochfilzen nach Saalfelden konnte ich auf der kurvigen Landstraße vor allem die Vorzüge des langen Radstands voll auskosten. Gemeinsam mit dem hochwertigen Fahrwerk lag der CE 04 auch in schneller gefahrenen Kurven unbeeindruckt satt auf der Straße. Da kam zu meiner großen Freude richtiges Motorrad-Feeling auf.

REIN ELEKTISCHER ANTRIEB

Die flüssigkeitsgekühlte E-Maschine bietet eine Maximalleistung von 31 kW (42 PS) und ermöglicht dem CE 04 neben der beeindruckenden Beschleunigung eine ohne große Anstrengung erreichbare Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Weiters ist eine etwas schwächere L3e-A1-Variante erhältlich, die das Lenken ab dem 16. Lebensjahr mit einem A1-Führerschein oder dem Autoführerschein inklusive kurzer Zusatzausbildung ermöglicht. Direkt über dem Elektromotor befindet sich die Antriebselektronik, die unter anderem auch die Rekuperation steuert. Diese automatische Art der Energierückgewinnung fühlt sich an wie die Motorbremse bei einem Verbrennungsmotor und speist dabei Energie in die Batterie zurück. Je nach Fahrmodus ist die Intensität unterschiedlich. Für meine Begriffe ist sie etwas zu stark eingestellt, was mir vor allem im Dynamik-Modus auffiel. Das ist jedoch Geschmackssache, eine individuelle Einstellbarkeit würde daher Sinn machen.

HIGH TECH VOM „ECHTEN“ MOTORRAD

Bei der technischen Ausstattung hat sich BMW Motorrad nicht lumpen lassen. Wenn auch zum Teil aufpreispflichtig, sind alle derzeit für Zweiräder verfügbaren Fahrassistenzsysteme mit an Bord. Das beginnt bei der schräglagenabhängigen Traktionskontrolle und dem Kurven-ABS Pro. Die serienmäßige Schlupfkontrolle passt das Antriebsmoment automatisch an und erhöht damit zusätzlich die Fahrstabilität. Verzögert wird vorne mit Vierkolben-Festsätteln auf zwei 265 mm-Bremsscheiben. Stahlflex-Leitungen sorgen für bestmögliche Dosierbarkeit. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die automatische Aktivierung der Parkbremse beim Ausklappen des Seitenständers, da sich der Roller danach nicht mehr bewegen lässt.

Der CE 04 verfügt über ein bei jedem Lichteinfall gut ablesbares 10,25 Zoll-TFT-Farb-Display. Die Full-HD Auflösung mit 1920 x 720 Pixel bietet eine sehr detailreiche Darstellung. Zahlreiche Informationen können als eine große Ansicht oder auf geteilten Bildschirmen angezeigt werden. Zur Steuerung dient der bereits von anderen BMW-Motorrädern bekannte Multicontroller auf der linken Lenkerseite. Mit Hilfe der BMW Motorrad Connected App am Smartphone kann eine vollwertige Kartennavigation angezeigt werden. Das Telefon kann währenddessen im aktiv durchlüfteten Staufach abgelegt und mit Kabel an einem USB-C-Anschluss geladen werden. Die Navigation funktionierte im Test stets einwandfrei, lediglich die immer wieder erforderliche, neuerliche Herstellung der WLAN-Verbindung machte die Bedienung nicht ganz so komfortabel.

LADEN WIE BEIM E-AUTO

Beim Laden an der Haushaltssteckdose mit dem serienmäßigen Standardladekabel Mode 2 konnte ich die Batterie in 1:50 Stunden von 52 auf 100 Prozent laden. Die dabei erzielte Ladeleistung betrug 2,3 kW. Dies ist das Maximum beim CE 04, es sein denn, er verfügt wie das Testfahrzeug über den optionalen Schnelllader. Dieser ist wie das Standardladegerät im Roller integriert und ermöglicht über die Typ-2-Ladebuchse sowohl an der Wallbox zu Hause als auch an öffentlichen Ladesäulen eine Ladeleistung von maximal 6,9 kW. Sollte die Ladesäule über kein fix angeschlossenes Kabel verfügen, ist ein optionales Ladekabel Mode 3 für die optimale Ladeperformance erforderlich.

Ich hatte die Möglichkeit, beide Varianten in Kitzbühel für Euch zu testen. Zuerst fuhr ich zur Smatrics-Schnellladestation am Parkplatz der Hahnenkammbahn. Mit der BMW Charging Karte konnte ich den Ladevorgang kontaktlos starten und an der Typ-2-Säule (22 kW) in 40 Minuten exakt 4,13 kWh laden (Ladeleistung 6,2 kW) und den Akku damit von 24 auf 75 Prozent befüllen. Dieser Wert entsprach ziemlich genau der Herstellerangabe. Weiter ging es über die Straße zur da emobil-Ladestation in der Parkgarage der WKO Kitzbühel. Bei der öffentlichen Typ-2-Wallbox (11 kW) kam das mitgeführte Mode 3 Ladekabel zum Einsatz. In 21 Minuten erhöhte sich der Ladestand von 74 auf 94 Prozent. Mit 4,9 kW erzielte ich eine etwas geringere Ladeleistung. Dies war auf den bereits hohen Befüllungsgrad der Batterie zurückzuführen.

ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO

Der BMW CE 04 ist ein gelungener nächster Schritt in Richtung der elektrifizierten urbanen Mobilität. Der große Radstand und das hohe Gewicht geht etwas zu Lasten der Handlichkeit. Dafür erhält man ein vollwertiges Motorrad mit exzellentem Fahrwerk und einer sehr guten Straßenlage. Nach kurzer Eingewöhnungszeit ist auch das Rangieren im Stand kein Problem mehr. Etwas Erfahrung mit Zweirädern sollte man jedoch bereits mitbringen, um sich dabei sicher zu fühlen. Die Reichweite von rund 100 Kilometern ist vor allem in der Stadt vollkommen ausreichend, kleine Touren nach Feierabend gehen sich damit auch aus. Für ausgedehnte Motorradtouren ist der E-Scooter nicht gedacht. Das Gewicht/Akkugröße/Reichweiten-Verhältnis könnte etwas besser sein, fahren doch Elektromotorräder mit ähnlichem Gewicht doppelt so weit, sind dafür aber auch doppelt so teuer.

Der Einstiegspreis für den CE 04 liegt in Österreich bei 12.150 Euro. Das getestete Modell mit einigen Extras lag bei 14.069 Euro (jeweils abzüglich 1.900 Euro E-Mobilitätsförderung). Da nur mit dem integrierten Schnelllader eine brauchbare Ladeleistung für unterwegs erzielbar ist, sollte dieser zur Serienausstattung gehören. Der E-Roller kann in Anbetracht der technischen Ausstattung und Qualität als durchaus preiswert bezeichnet werden. Er liegt im Bereich der großen Elektrozweiräder am unteren Ende der Preisskala. Ein echtes Indiz dafür, dass BMW auch bei der einspurigen Elektromobilität durchaus ernst meint und etwas bewegen möchte.

Text und Fotos: Armin Hoyer – arminelectric.com
Titel- und Fahrfoto: Dagmar Berger

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