5. Juni 2024 Armin Hoyer

Von der Alm in die Großstadt | Unterwegs im elektrischen Jeep Avenger

Jeep Avenger Elektro in den Kitzbühler Alpen im Test

Tirol-Wien – Der kleine SUV Jeep Avenger Elektro ist das erste rein elektrisch angetriebene Fahrzeug der Kult-Marke. Das europäische „Car of the Year 2023“ zeigte im Test, wieviel Jeep in ihm steckt. Während der Fahrt von der Alm in den Kitzbüheler Alpen bis in die Wiener Innenstadt stellte sich heraus, dass sich der Stromer in beiden Welten wohlfühlt …

Am markanten Kühlergrill mit den angedeuteten senkrechten Lüftungsschlitzen ist der Jeep Avenger Elektro auf den ersten Blick als Jeep erkennbar. Die schmalen Streifen des LED-Tagfahrlichts und die dunkle Farbe „Volcano“ verleihen ihm einen bösen Blick, der seinem Namen gerecht wird – „Avenger“ heißt auf Deutsch „der Rächer“. Lediglich der Diamantschliff der 18“-Leichtmetallfelgen und der in Silber gehaltene Unterfahrschutz an den Stoßstangen durchbrechen den einheitlich dunklen Look.

Der vier Meter lange Kompakt-SUV wurde mir von Pappas Österreich für einige Tage zur Verfügung gestellt. Ich durfte den Jeep Avenger Elektro am Salzburger Standort des Automobilhandelsunternehmens abholen. Neben Jeep bietet Pappas PKW der Marken Mercedes-Benz, AMG und Smart an. Österreichweit verfügt das Unternehmen über 21 Verkaufs- und Service-Standorte.

WIE FÄHRT SICH DER JEEP AVENGER ELEKTRO?

Der Avenger basiert auf der vom Stellantis-Konzern entwickelten eCMP2-Plattform. Der Elektromotor treibt mit einer Leistung von 115 kW (156 PS) die Vorderräder an und liefert ein maximales Drehmoment von 260 Nm. Die Kraftentfaltung verläuft äußerst gleichmäßig, selbst bei vollem Durchtreten des Strompedals wurde ich nicht katapultartig nach vorne geschleudert, wie dies bei so manch anderem Elektroauto der Fall ist. Die Leistung ist für den knapp über 1,5 Tonnen leichten Stromer im Alltag vollkommen ausreichend, lediglich beim Überholen wünschte ich mir manchmal etwas mehr Punch. Der Sprint von null auf 100 km/h ist nach exakt neun Sekunden erledigt, bei 150 km/h Höchstgeschwindigkeit wird abgeriegelt.

Für extremes Gelände fehlt dem elektrischen Avenger der Allradantrieb. Mit einer Bodenfreiheit von 200 Millimetern, 20 bzw. 32 Grad Böschungswinkel (vorne/hinten) und 20 Grad Rampenwinkel zeigte er sich vom Bachbett des Spielbergbachs in Fieberbrunn aber vollkommen unbeeindruckt. Zur Fahrt durch den Hörndlinger Graben auf die Alm kommen wir etwas später.

KRÄFTIGE FARBE IM INNENRAUM

Beim Öffnen der Tür sprang mir sofort das leuchtend goldgelbe Armaturenbrett ins Auge. Ein erfrischender Farbklex im ansonsten dezent gehaltenen Innenraum. Vom bisher bei Jeep gewohnten rustikalen Ambiente ist wenig geblieben – bis auf den durchgängigen Einsatz von Hartplastik, der den ansonsten hochwertigen Eindruck etwas schmälert. Die straffen Sitze könnten für die Langstrecke etwas ergonomischer geformt sein. Elektrisch verstellbar und mit einstellbarer Lendenwirbelstütze sind diese nur in Verbindung mit dem optionalen Leder-Paket erhältlich. Das mit Kunstleder bezogene Lenkrad liegt dagegen recht angenehm in der Hand.

Über das volldigitale 10,25“-TFT-Instrumentenanzeige (siehe Fotos unten) und das ebenso große zentrale Display mit Touch-Funktion sind alle wichtigen Informationen ablesbar und Funktionen steuerbar. Die Klimatisierung kann zusätzlich über die darunter liegenden Kipphebel gesteuert werden. Die Fahrstufen sind über Druckknöpfe zu bedienen.

Die Ablagen im Mitteltunnel sind großzügig bemessen. Unter der zusammenklappbaren Abdeckung kann ein Smartphone induktiv geladen werden. Darüber befinden sich Steckdosen mit Anschlussmöglichkeiten für unterschiedliche Stecker. Das Kofferraumvolumen ist mit 355 Litern nicht gerade üppig dimensioniert. Gepäck für zwei Personen übers Wochenende findet jedoch ausreichend Platz. Ladekabel, Verbandskasten, Warndreieck und sonstige Kleinigkeiten können unter dem doppelten Ladeboden verstaut werden. Bei umgeklappter Rückbank lässt sich der Stauraum auf 1.252 Liter erweitern. Besonders praktisch ist der Sensor unter der Stoßstange. Ein angedeuteter Tritt und schon öffnet sich die Heckklappe automatisch.

RAUF AUF DIE ALM

Nachdem wir das Bachbett problemlos gemeistert hatten, ging es mit dem Jeep Avenger Elektro jetzt noch auf die Alm. Hier zeigte sich das straffe Fahrwerk unbeeindruckt von sämtlichen Unebenheiten. Schlaglöcher kamen dabei deutlich spürbar bis in den Innenraum durch. Die zum Teil tiefen Wasserrinnen quer über die Fahrbahn meisterte der Jeep Dank der eingangs erwähnten geländetauglichen Bodenfreiheit und Überhängen sehr gut. Damit verdient er sich eindeutig den Namen „Jeep“. Mit den Gelände-Fahrmodi „Sand“, „Schlamm“ und „Schnee“ lässt sich darüber hinaus noch der Schlupf an den jeweiligen Untergrund anpassen.

PRAKTISCHE ASSISTENZSYSTEME

Der kompakte SUV verfügt über alle gängigen Assistenzsysteme. Positiv erwähnenswert ist, dass er sich bei der Abgabe von Warngeräuschen in Zurückhaltung übt und zum Beispiel nicht bereits bei geringer Tempoüberschreitung ein lästiges Gepiepse von sich gibt. Sehr praktisch ist die Verkehrszeichenerkennung, da bei aktivierten Abstandstempomaten auf Knopfdruck die aktuelle Geschwindigkeit automatisch übernommen werden kann. Beim Einparken überzeugte die 180-Grad-Rückfahrkamera, die genau zum richtigen Moment auf Vogelperspektive umschaltet und damit den exakten Abstand zum Hindernis erkennen lässt.

SORGENFREIES LADEN UND REISEN

Der Jeep Avenger Elektro ist mit einem dreiphasigen Onboard-Charger und einem Mode-3-Ladekabel ausgestattet. Damit ist zu Hause an der Wallbox oder bei öffentlichen Ladestationen mit Wechselstrom eine Ladeleistung von maximal 11 kW möglich. Auf meiner Reise von Tirol nach Wien wurde dann das CCS-Schnellladen mit Gleichstrom interessant. Hier verspricht der Hersteller eine Ladeleistung von bis zu 100 kW. Den Bezahlvorgang erledige ich dabei ganz bequem mit der EnBW mobility+ App, die bei nahezu jeder öffentlichen Ladesäule funktioniert. Mit hinterlegter Kreditkarte erhalte ich monatlich eine Abrechnung für die getätigten Ladevorgänge. Die App bietet eine detaillierte Übersicht zu den bereits angefallenen Kosten.

Den am Weg vom Pillerseetal nach Wien erforderlichen Ladestopp legte ich am McDonald´s-Parkplatz in Ansfelden ein. Während der 185 gefahrenen Kilometern hatte sich der Akku von 85 auf 24 Prozent SoC entladen. An einer 150-kW-Ladesäule des Anbieters Mer konnte ich mit einer maximalen Ladeleistung von 74,3 kW in 30 Minuten auf 84 Prozent laden. Weitere 17:15 Minuten vergingen bis 95 Prozent. Bei der Westeinfahrt von Wien waren 39 Prozent davon übriggeblieben.

Da ich in Wien keine Schnelllademöglichkeit in der Nähe hatte und es die Zeit an einem autofreien Tag locker erlaubte, nutzte ich eine 11 kW-Ladesäule von Turmstrom gleich hinter dem Finanzministerium, um im Laufe des Vormittags in rund 3,5 Stunden den Akku von 32 Prozent wieder voll aufzuladen.

Auf der Rückreise legte ich den erforderlichen Ladestopp wieder in Ansfelden an einer 150-kW-Ladesäule von Mer ein. Da der Akkustand zu Beginn bei niedrigen 10 Prozent lag, konnte ich mit einer maximalen Ladeleistung von 106,5 kW die Möglichkeiten des Avenger voll ausschöpfen und in 29:50 Minuten auf 80 Prozent aufladen. Vor der Rückgabe des Testfahrzeugs verlief ein weiterer Ladestopp an einer 150 kW-Ladestation der Salzburg AG beim Salzburger Flughafen ähnlich schnell: 18-80 Prozent in 27:04 Minuten.

Der Jeep Avenger Elektro geht sparsam mit Strom um. In der Stadt waren es im Test gerade einmal 12 kWh/100 km. Auf der Landstraße begnügte er sich mit nur 14-15 kWh und fährt mit einer Akkuladung rund 350 Kilometer weit. Bei 120 km/h auf der Westautobahn zwischen Salzburg und Wien waren es sind es im Schnitt praxistaugliche 20 kWh, was rund 250 km Reichweite bedeutet und einen Ladestopp auf dieser Strecke erforderlich macht. 130 km/h und mehr sollte man auf Dauer vermeiden, da dies den Verbrauch exorbitant auf zumindest 25 kWh steigert.

ARMIN ELECTRIC CONCLUSIO

Alles in allem ist der Jeep Avenger Elektro eine gelungene und moderne Neuinterpretation der Kultmarke. Vom ursprünglich kernigen Geländewagen ist zwar wenig geblieben, einige unverkennbare Design-Merkmale lassen jedoch keine Zweifel über seine Herkunft aufkommen. Wie sich im Test zeigte, ist der Avenger Elektro für leichtes Gelände durchaus geeignet, die Allradversion wird hier sicherlich noch eine weitere Steigerung bringen. Auf der Straße bietet die ausgewogene Fahrwerksabstimmung ausreichend Komfort und ein unkompliziertes Fahrverhalten.

Aufgrund des geringen Verbrauchs ist die 54 kWh-Batterie (51 kWh netto) im Alltag vollkommen ausreichend. Nur für die Reise auf der Autobahn würde ich mir etwas mehr Reichweite wünschen. Die maximale Ladegeschwindigkeit von gut 100 kW passt gut zur kompakten Akkugröße. Um diese optimal ausnutzen zu können, sollte man den Ladevorgang jedoch wenn möglich unter 20 Prozent SoC starten.

Der Jeep Avenger Elektro startet in Österreich bei 38.500 Euro. Das Testfahrzeug mit der Top-Ausstattung „Summit“ und einigen zusätzlichen Extras liegt bei 44.910 Euro. Da passt das viele Hartplastik im Innenraum und die einfache Ausführung der Sitze nicht so ganz ins Bild. Für all jene, denen die rein elektrische Variante zu teuer ist oder die auf einen Verbrenner nicht verzichten möchten, gibt es den Avenger auch als E-Hybrid und Benziner. Letzterer startet bereits bei 24.900 Euro. Die erste Allradversion „4xe“ mit Hybrid-Antrieb wurde bereits vorgestellt und soll ab Ende 2024 bestellbar sein.

05.06.2024 | Text und Fotos: Armin Hoyer – arminelectric.com

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