20. August 2021 Armin Hoyer

Rauf auf die Alm | Mit der KTM 890 Adventure R in den Karnischen Alpen

Armin on KTM 890 Adventure R | Photo: Armin Hoyer

Friaul-Julisch Venetien | Italien – Die Karnischen Alpen sind ein Paradies für Offroadfahrer. Im Gegensatz zu Österreich ist hier das Befahren von zahlreichen unbefestigten Straßen mit dem Motorrad noch erlaubt. Daher ist die Gegend rund um das norditalienische Ovaro der ideale Ort, die neue KTM 890 Adventure R auch abseits asphaltierter Pfade zu testen…

Nachdem ich das Werksmotorrad von der Kini Bike World abgeholt hatte, konnte ich die KTM 890 Adventure R mit Klaus Kinigadner im Zillertal erstmals Offroad erleben (hier geht’s zum Bericht…). Ausgestattet mit seinen Expertentipps nahm ich den Großen Alpenstraßenführer von Harald Denzel zur Hand, um meine Offroad-Routen für die drei Tage in den Karnischen Alpen am Computer zu planen und auf mein GPS-Gerät zu übertragen. Mit der Reiseenduro im Gepäck ging es mit meinem Transporter über den Plöckenpass ins italienische Friaul. Die zahlreichen Kehren wäre ich schon gerne mit dem Motorrad gefahren. Mein erstes Quartier befand sich in Prato Carnico, ein sehr zentraler Ausgangspunkt für die am ersten Tag geplante Tour.

UNERWARTETE KEHREN AM FORECELLA LAVARDET

Dort angekommen wechselte ich vom Auto aufs Motorrad und fuhr im Val Pesarina weiter auf der SS 465 in westlicher Richtung. Nach knapp 20 Kilometern war das Forcella Lavardet auf 1.542 Metern und damit die Grenze zu Venetien erreicht. Kurz davor bog ich rechts von der Hauptstraße auf die SP 465 ab, die ziemlich genau am Pass in eine Schotterstraße übergeht. Wie ich dem Denzel entnehmen konnte, fungiert die hier angebrachte Fahrverbotstafel im Sinne eines Haftungsausschlusses. Sie informiert darüber, dass das Befahren der Strecke auf eigene Gefahr erfolgt. Die unbefestigte Straße verläuft im Val Frison entlang des gleichnamigen Bachs und ist im oberen Abschnitt mit zum Teil groben Steinen und ausgewaschenen Rinnen übersät. Das WP Suspension-Fahrwerk des Adventure-Bikes zeigte sich davon nur wenig beeindruckt. Die 240 Millimeter Federweg vorne und hinten bügelten jede Unebenheit weg. Ich war sehr erstaunt, dass ich selbst tiefe Querrinnen kaum spürte. Unterbrochen wurde die Offroad-Tour nach Campolongo nur von einem kurzen asphaltierten Straßenstück, das es jedoch in sich hat. 14 eng aneinander gebauten Kehren in bestem Zustand befinden sich hier inmitten der Naturlandschaft. Der nächste markante Punkt ist eine Brücke über den Torrente Frison, die aus mehreren Betonröhren und darüberliegenden Steinplatten besteht. Die ab dort breiter werdende Straße hat einen feinen Schotterbelag, der kurz vor dem Ort auf Asphalt wechselt. Ich fuhr dieselbe Strecke wieder zurück, um mich dann auf den Weg zu meinem zweiten heutigen Ziel zu machen.

HOHES SPASSPOTENTIAL AUCH AUF ASPHALT

Von der Passhöhe nahm ich die SP 619, um bald links in die SP 73 in Richtung Lago di Sauris abzubiegen. Der türkis schimmernde Stausee war der Ausgangspunkt für meinen nächsten Offroad-Ausflug. Der Weg dorthin war geprägt von zahlreichen Kurven und Kehren, die auch die Verbindungsstrecke interessant machten. Das straffe Fahrwerk der 890 Adventure R erlaubt eine sportliche Fahrweise auf der Straße, mit nur geringen Abstrichen gegenüber einem Straßenmotorrad. Der Zweizylinder-Reihenmotor mit 899 cm³ Hubraum leistet 105 PS (77 kW) bei 8.000 U/min und verfügt über ein maximales Drehmoment von 100 Nm bei 6.500 U/min. Damit lässt sich schon mit geringer Drehzahl kräftig aus Kehren herausbeschleunigen und es steht stets reichlich Durchzug zur Verfügung.

MALGA LOSA UND PASSO DELLA FORCELLA

Kurz nach La Maina bog ich links in eine Spitzkehre ab und es ging in einigen Kehren hinauf nach Lateis. Am Ende des Orts fuhr ich scharf rechts in Richtung Froca Frameibn weiter. Der schmale Weg verläuft abwechselnd auf Asphalt und Schotter. Rund 2,5 Kilometer vor dem Erreichen der Malga Losa hat man dann nach einem längeren Asphaltstück durchgehend Schotter unter den Reifen. Der Weg verläuft in Hanglage leicht ansteigend und bietet einen wunderbaren Ausblick auf die umliegende Bergwelt. Bald hatte ich die Malga Losa der Familie Petris erreicht.

Die Alm liegt auf 1.765 Metern Seehöhe am Fuße des Monte Losa. Von Mitte Juni bis Ende September wird hier in alter karnischer Tradition hochwertiger Käse und Butter hergestellt. Auf steinigem Untergrund ging es weiter. Die mittlerweile tiefstehende Sonne erzeugte eine wunderbare Lichtstimmung. Der letzte Abschnitt hinauf zum 1.824 Meter hohen Passo della Forcella ist betoniert. Von der Passhöhe bietet sich ein eindrucksvoller Blick auf die Gipfel der Julischen Alpen. Die Abfahrt nach Mione ist sehr steil. Die insgesamt 39 Kehren sind sehr eng und ich war froh, dass die Strecke durchgehend betoniert oder asphaltiert ist. Die Bremsanlage der Enduro verfügt über zwei 320- mm-Bremsscheiben mit radial verschraubten 4-Kolben-Bremssätteln vorne und einer 260-mm-Bremsscheibe mit einem 2-Kolben-Schwimmsattel hinten. Sie verzögerte auch unter diesen extremen Bedingungen einwandfrei. Das verbaute Kurven-ABS ist hinten abschaltbar. Unten im Tal in Ovaro angekommen, ließ ich den Abend in der gemütlichen Osteria Pizzeria Allo Zoncolan ausklingen.

PANORAMA SOWEIT DAS AUGE REICHT

Der erste Programmpunkt des zweiten Tages war die Panoramica delle Vette. Die Bergstraße entlang der Südflanke des Monte Crostis gilt als die schönste Panoramastraße in Friaul-Julisch Venetien. Schon in der Früh hatte ich mein Quartier nach Sutrio verlegt. Von dort war ich in 15 Minuten in Ravascletto, dem Ausgangspunkt zur Panoramica. Der asphaltierte Anstieg auf der schmalen Straße führt zu Beginn durch ein bewaldetes Gebiet und wechselt nach rund zehn Kilometern auf 1.870 Metern auf feinen Schotter. Von hier verläuft der Weg nahezu eben am Hang entlang und bietet einen einzigartigen Ausblick. Im Gegensatz zu den sonstigen Touren kamen mir hier zahlreiche Motorradfahrer entgegen, was an der hohen Beliebtheit dieser Route lag. Nahe der Malga Crostis war ich nach rund sieben Kilometern zurück auf Asphalt. Die Straße führte jetzt bergauf zum höchsten Punkt auf 1.982 Metern und dann in 27 Kehren hinunter nach Tualis. Über Comeglians ging es im Anschluss nach Ovaro.

BEHERZTER RITT AUF DIE ALM

Nach einer kurzen Mittagspause stand wieder eine Alm auf dem Programm. In Lenzone startete die Fahrt zur Malga Claupa. Nach einer harmlosen Bachdurchfahrt verläuft die schmale Straße in unzähligen Kehren bergauf durch den Wald. Kurz vor der Malga Arvenutis wechselt der Belag auf Schotter. Zuerst nahezu eben verlaufend, steigt diese dann auf grobem, ausgewaschenem Untergrund in zwei Kehren sehr steil bis zu einer Hochebene an. Das war der fahrerisch anspruchsvollste Abschnitt der gesamten drei Tage. Das stollenartige und gleichzeig straßentaugliche Profil der auf Speichenfelgen montierten Metzeler Karoo 3 Enduroreifen ermöglichte mir auch hier eine sehr gute Traktion. Oben angekommen erreichte ich nach wenigen Metern die Malga Claupa. Die Wiese mit Blick auf die Almhütte ist ein sehr ruhiger, beschaulicher Ort, der mich zum Verweilen einlud.

Der Schotterweg steigt im Anschluss entlang des Hanges des Monte Tribil bis zum höchsten Punkt auf 1.700 Meter an. Vorbei am Monte Cucasit geht es zunächst nur leicht bergab bis es dann in zahlreichen Kehren wieder steiler wird. Auf knapp über 1.200 Metern wechselte die Straße wieder auf Asphalt und schlängelt sich vorbei an Trava bis hinunter nach Chiassis. Auf der SR 355 ging es dann entlang des Torrente Degano zurück nach Ovaro.

KURVENRAUSCH AM MONTE ZONCOLAN

Dort liegt der Ausgangspunkt zur Fahrt auf den Monte Zoncolan. Genau auf jener Strecke, die als härtester Aufstieg im professionellen Radsport gilt und schon viele Male Bergankunft beim Giro d’Italia war. Auf 10 Kilometern sind 1.200 Höhenmeter zu bewältigen, 900 davon auf nur sechs Kilometern. An der zentralen Kreuzung in Lariis, wo ich am Vortag die Pizzeria besucht hatte, bog ich scharf rechts ab und schraubte mich im wahrsten Sinne des Wortes eine Kehre nach der anderen den Berg hinauf. Die KTM 890 Adventure R lässt sich spielerisch in enge Kurven einlenken und hält Dank der kurvenabhängigen Traktionskontrolle auch bei starkem Herausbeschleunigen unbeeindruckt die Spur. Mit dem präzise funktionieren Schaltassistenten lassen sich die einzelnen Gänge ohne Kupplungsbetätigung und Gasrücknahme seidenweich durchschalten. Bei mir stellte sich ein regelrechter Kurvenrausch mit Suchtpotential ein.

Auf 1.650 Metern erreichte ich den ersten der drei einspurigen Tunnels, die erst seit einigen Jahren beleuchtet sind. Oben auf 1.720 Metern angekommen genoss ich einen wunderschönen, wolkenverhangenen Sonnenuntergang. Die ersten dreieinhalb Kilometer hinunter nach Sutrio verlaufen einspurig. Danach erreichte ich die erste Station des großen Schigebiets, das eines der bedeutendsten in der Region Friaul-Julisch Venetien ist. Von hier ist die Straße bis ins Tal zweispurig ausgebaut. Nach einem späten Abendessen in der Trattoria „Alle Trote“, die sich praktischerweise direkt in meinem Quartier befand, endete ein weiterer eindrucksvoller Tag.

MONTE PAULARO ALS WÜRDIGER ABSCHLUSS

Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg zum Monte Paularo. Ich bog in Paluzza rechts ab und war bald in Ligosullo. Bei der Osteria „Al Camoscio“ begann die eigentliche Tour. Die schmale Straße schlängelt sich in zum Teil bewaldetem Gebiet bis hinauf zum Castello Valdajer. Von dort wird sie noch schmäler und nach kurzem wechselt der Belag auf Schotter. Die ehemalige Militärstraße ist mit der Reiseenduro angenehm zu befahren, eine etwas ausgesetzte Stelle rund um eine größere Felsformation ist mit einem massiven Geländer abgesichert. Der Schotterpfad endet kurz danach auf einem großen Wendeplatz knapp unterhalb des Gipfels des Monte Paularo auf 1.960 Metern. Nach der Rückfahrt wieder im Quartier angekommen, verlud ich Bike und Ausrüstung in meinen Transporter. Im Anschluss ging es wieder über den Plöckenpass zurück nach Tirol.

ARMIN ON BIKE CONCLUSIO

Die Region der Karnischen Alpen ist nicht nur wegen der legal befahrbaren, unbefestigten Straßen eine Reise wert. Auch die Verbindungsetappen auf Asphalt sind aufgrund ihres kurvenreichen Charakters ein wahrer Genuss. Die getestete KTM ist das optimale Motorrad dafür, da sie sich in beiden Welten wohlfühlt. Zum einen ist sie eine ausgewachsene Reiseenduro mit sehr guter Straßenperformance, zum anderen setzt sie bei der Offroad-Tauglichkeit die Benchmark in ihrem Segment. Der moderate Verbrauch von unter fünf Litern verleiht ihr zudem eine reisetaugliche Reichweite von mehr als 400 Kilometern. Die KTM 890 Adventure R startet in Österreich bei einem Verkaufspreis von 15.899 Euro. Das im Testmotorrad enthaltene Tech Pack kostet 828 Euro extra und beinhaltet die erforderliche Software zur Nutzung des Quickshifters, der Motorschleppmomentregelung, des Tempomaten und des zusätzlichen Fahrmodus „Rally“ mit erweiterten Einstellmöglichkeiten. Ein akzeptabler Preis für ein sehr ausgereiftes Motorrad mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten.

Text und Fotos: Armin Hoyer – arminonbike.com

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