Red Bull Ring | Spielberg – In ganz ungewohntes Terrain hat sich der derzeit wohl schnellste MotoGP-Fahrer gewagt und sich damit einen langersehnten Traum erfüllt. Auf Einladung von Red Bull Racing erhielt Marc Márquez die Gelegenheit, erstmals einen Formel-1-Boliden zu testen und zu zeigen, was er auf vier Rädern so drauf hat…
Meine Freude war groß, als ich erfuhr, dass ich diese außergewöhnliche Persönlichkeit schon vor dem heurigen MotoGP-Rennen im August im Spielberg wiedersehen werde. Erst am Sonntag von Motorradtests- und -touren aus Katalonien und Sardinien zurückgekehrt, erhielt ich vom Projekt Spielberg kurzfristig die Akkreditierung zur dieser außergewöhnlichen Veranstaltung.
Am Montagabend habe ich mich bei der Sendung Sport und Talk auf ServusTV auf den Event eingestimmt. Marc Márquez war zu Gast und berichtete ausführlich über die Vorbereitungen auf sein Formel-1-Debüt. Heute Früh machte ich mich passend zum Hauptakteur der Veranstaltung auf zwei Rädern auf den Weg nach Spielberg. Starke Unwettergefahr an diesem Tag ließen mich neben meiner ganzen Technik auch die Regenausrüstung in meinen Rucksack packen. Nach kurzer, flotter Fahrt von Wien über die S6 erreichte ich zu Mittag den Red Bull Ring in Spielberg.
Laute Motorengeräusche des Renault V8 aus dem RB8 von Red Bull Racing, dem Formel-1-Auto von 2014, begrüßten mich am Gelände. Der Wagen stammt aus einer Zeit, wo der Sound der F1-Boliden noch eine Gänsehaut zu zaubern vermochten. Da ich mich noch registrieren, umziehen und meine Fotoweste ausfassen musste, war ich gleich wieder in Eile, bevor ich hautnah ran ans Geschehen konnte. Mein Einsatz war schwer planbar, da im Vorfeld nicht feststand, wann sich Marc Márquez auf die Strecke begeben würde. Einen konkreten Zeitplan gab es nicht, da alles von den aktuellen Testgegebenheiten abhängig war und sich diese minütlich ändern konnten.
Nach abgeschlossenen Vorbereitungen war es bereits nach Mittag geworden und die Pressekonferenz stand kurz bevor. Um 12:30 Uhr war es dann pünktlich soweit. Christian Brugger von Servus TV betrat mit Marc Márquez, Marc Webber, Dr. Helmut Marko und Niki Lauda die Bühne.
Das Strahlen von Marc war auch an diesem Tag unübersehbar. Dies zeigte, dass sich der aktuelle MotoGP-WM-Führende nicht nur auf seiner Honda RC213V sondern auch mit anderen schnellen Geschossen, in kürzester Zeit sehr wohl fühlt. Auf die Frage, was sein erster Eindruck beim Umstieg in den F1-Boliden war, sagte er, die ungewohnte Sicht und die Sitzposition seien es gewesen. Er fühlte sich wie festgeschnallt in einer Box und sah nur den oberen Rand von zwei Rädern. Auch die wesentlich späteren Bremspunkte und die hohen Kurvengeschwindigkeiten seien zu Beginn ungewohnt und beeindruckend zugleich gewesen.
Bei dem Media Talk vor der versammelten Menge zahlreicher, europäischer Motorsport-Journalisten waren neben Marc Márquez auch der ehemalige F1-Pilot Marc Webber anwesend, der Marc als Berater und sozusagen Renningenieur in diesen Tagen zur Seite stand. Schon am Vortag hat eine aufwendige Sitzanpassung und davor auch ein Simulator-Training in der Red Bull Racing Zentrale im britischen Milton Keynes stattgefunden. Die weitere prominente Besetzung der Pressekonferenz umfasste den Red Bull Racing Teamberater Dr. Helmut Marko und unseren dreifachen Formel-1-Weltmeister und aktuellen Aufsichtsratsvorsitzenden beim Formel-1-Team Mercedes-AMG Petronas Motorsport Niki Lauda, der als bekennender Marc Márquez-Fan extra aus Wien eingeflogen kam.
Die Rundenzeiten von zu Beginn 1:20 konnte Marc auf dem RB8 von 2012 mit einem Renault V8-Saugmotor mit 760PS Schritt für Schritt auf sehr gute 1:13er-Zeiten senken. Da Honda seit heuer Motorlieferant von Toro Rosso ist, war der Wagen in deren Design lackiert. Auch Honda-Motorsportchef Masahi Yamamoto, der dem Test im Vorfeld zugestimmt hatte, war an diesem Tag in Spielberg anwesend. Wie motiviert Marc an die Sache heran gegangen war, zeigte auch ein Dreher in der letzten Kurve am frühen Nachmittag, weil er dort schon Speed für eine noch schnellere, nächste Runde aufbauen wollte.
Die anwesenden Experten wie auch Dr. Helmut Marko waren von seiner Performance beim erstmaligen Test eines Formel-1-Autos beeindruckt. Marko erwähnte in der Podiumsdiskussion mit einem Grinsen, dass Red Bull ab 2021 ein Cockpit in einem Formel-1-Boliden für ihn frei hätte. Marc selbst meinte, der Tag sei ein unvergessliches Erlebnis, einen Umstieg in die Formel 1 könnte sich der 25jähige im Moment aber nicht vorstellen. Er sei aber noch jung und wer weiß, was die Zeit noch bringe. Seine Entscheidung für zwei Räder sei schon in der frühesten Kindheit gefallen und wäre auch die richtige gewesen. Wie wahr dies ist, zeigen seine außergewöhnlichen Erfolge im Motorradrennsport.
Marc fühlte sich nach der Eingewöhnungsphase rundum wohl im Auto auch aufgrund der weiten Auslaufzonen am Red Bull Ring. Einen Test in Monaco könne er sich aber im Moment nicht vorstellen. Auf meine Frage, ob es auch denkbar sei, dass die MotoGP nach Vorbild der Formel 1 einmal in die Städte kommen könnte, meinte er, dies sei aus Sicherheitsgründen vollkommen unmöglich. Die Stimmung war beim Media Talk insgesamt sehr gut und locker. Die interessante Diskussion wurde durch den einen oder anderen Scherz von Niki Lauda mit Dr. Helmut Marko oder auch Anekdoten aus seiner aktiven Zeit immer wieder bereichert.
Nach der Mittagspause machte ich mich mit meinem Bike auf den Weg zur Rennstrecke, um Fotos und Videos zu machen. Bekleidet mit einer Fotoweste, war es kein Problem auf die Strecke zu gelangen. Ein verzweigtes Wegenetz mit Tunnels ermöglicht es, die besten Spots entlang des Red Bull Rings aufzusuchen. Zuerst war ich bei der Remus-Kurve und führte dort ein interessantes Gespräch mit einem Streckenposten. Weiter ging es dann zur nächsten, zur Rauch-Kurve, dort kam der von Marc Márquez pilotierte RB8 im Toro Rosso Design aber nur noch einmal vorbei, hinter einem Kamera-Auto von Red Bull. Meine Hoffnung im nachfolgenden Video, dass Marc noch einmal im vollen Tempo vorbei kommen würde, erfüllte sich leider nicht mehr.
Aufgrund des einsetzenden, starken Regens wurden die Testfahrten bereits um 15:00 Uhr beendet. Hunderte Zuschauer säumten während des Tages die Tribünen und waren begeistert von der Action. Morgen werden Dani Pedrosa, der heuer Noch-Teamkollege von Marc Márquez und Tony Cairoli, der 9fache Motocross Weltmeister, zu Formel-1-Testfahrten am Red Bull Ring sein. Nachdem der Regen aufgehört hatte, machte ich mich wieder auf den Weg nach Wien, um für Euch von diesem eindrucksvollen Event zu berichten.
Text und Fotos: Armin Hoyer – arminonbike.com